Schaum aufwerfende Wellen vom Winde mäßig bewegt sind, und darüber eine graue, von Dünsten schwere Luft. Den Vorgrund macht ein Streif des weißen sandigen Strandes, um den einige Mewen schweben. Ueber das Verdienstliche der Ausführung mögen Kunstverständige richten; mir schien der graue, ruhige, nirgends durch aufflackerndes Weiß gestörte Ton des Ganzen trefflich gehalten, und die Luft eben so wahr zu seyn, als in Friedrichs Sepiazeichnungen, die auch bei, Ihnen, wie das neueste Programm der Weimarischen Kunstfreunde bezeugt, so viel Beifall gefunden haben. Was mir aber vorzüglich an diesem Bilde gefiel, war die Bedeutsamkeit, welche der Künstler der einfachen Scene durch eine einzige Figur zu geben gewußt hat. Ein kahlköpfiger Alter in einem braunen Gewande steht auf jenem Strande, fast ganz gegen das Meer hingewendet und scheint, wie seine Stellung und besonders die das Kinn unterstützende Hand anzeigen, in tiefes Nachsinnen versunken[1]. Niemand wird wohl zweifeln, daß das Unermeßliche, was sich vor seinen Augen in die weite, düstre Ferne hin ausbreitet, der Gegenstand seines Nachdenkens ist; man fühlt sich angezogen, mit ihm zu sinnen; jeder leiht ihm vielleicht andere Gedanken, weil jeder von dem großen und ernsten Gegenstande eine andere geistige Ansicht zu nehmen, durch seine Individualität bestimmt wird; indessen convergiren doch alle diese Gedankenreihen, und es giebt einen Punkt, wo sie zusammentreffen.
Das nämliche schien mir auch Statt zu finden bei dem vielbesprochenen Gemälde, das Friedrich an den letzten
- ↑ Andere hätten vielleicht, um dem Herkommen getreu zu bleiben, ein Paar Fischer oder eine Poissarde von Schevelingen hingestellt.
Christian August Semler: Über einige Landschaften des Malers Friedrich in Dresden. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1809, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1809_Seite_233-240.djvu/3&oldid=- (Version vom 17.9.2024)