275 (2.) Wie schon gesagt, rückte der römische Feldherr an der Spitze seiner Streitkräfte gegen Eleazar und die unter seiner Anführung stehende Besatzung von Masada, bestehend aus Sicariern, heran. Rasch sah er sich im Besitze des ganzen offenen Landes, dessen strategisch wichtigste Punkte er überall durch Besatzungen gesichert hatte. 276 Rings um die ganze Festung zog er dann einen Mauerwall, um den Belagerten die Flucht zu erschweren, und versah ihn in bestimmten Abständen mit Wachposten. 277 Für das eigentliche Lager wählte er eine Stelle, die für die Belagerungsarbeiten am allergünstigsten lag, indem sich dort die Felsabhänge der Veste am stärksten dem anschließenden Berge näherten, die aber sonst der Verproviantierung große Schwierigkeiten bereitete. 278 Denn nicht bloß mussten die Speisevorräthe aus weiter Entfernung und unter den größten Beschwerden von den zu diesen Lieferungen commandierten Juden herbeigeschleppt werden, sondern selbst das Trinkwasser musste, da der Boden dort keine einzige Quelle in der Nähe spendete, ebenfalls durch Lastträger ins Lager transportiert werden. 279 Nach diesen Vorkehrungen schritt Silva zur Belagerung, die bei der Stärke des Platzes, wie aus der folgenden Beschreibung desselben zu ersehen ist, an die Kriegskunst und körperliche Ausdauer der Römer die größten Anforderungen stellte.
280 (3.) Rings um einen ziemlich umfangreichen und gewaltig aufstrebenden Felsenhügel ziehen sich von allen Seiten tief eingeschnittene und jäh abstürzende Schluchten herum, die sich unten in eine unergründliche Tiefe verlieren und von keinem Fuß eines lebenden Wesens betreten werden können, mit Ausnahme zweier Stellen, wo der Felsen einem, wenn auch nicht gerade leichten, Aufstieg zur Höhe Raum lässt. 281 Der eine Steig führt auf der Morgenseite vom Asphaltsee her hinauf und der andere hinwiederum von der Abendseite, wo man bequemer hinaufkommt. 282 Der erste führt den Namen Schlangenpfad, weil er mit seiner dünnen und von zahllosen Windungen gebildeten Linie lebhaft an eine Schlange erinnert, indem er an den steilen Vorsprüngen zum Zickzack gezwungen wird und gar oft sich zurückwinden muss, dann wieder ein kleines Stück gerade ausläuft, um auf solche Weise mühsam hinaufzukriechen. 283 Wer hier gehen will, der muss sich bald mit diesem, bald mit jenem Fuß allein am Pfade festhalten: ein Fehltritt bedeutet den sicheren Tod, da auf beiden Seiten tiefe Abgründe heraufgähnen, die durch ihren schauerlichen Anblick auch den Verwegensten schwindelig machen könnten. 284 Hat man auf diesem Wege dreißig Stadien zurückgelegt, so steht man endlich vor dem Gipfel, der sich übrigens nicht scharf zuspitzt, sondern so gebildet ist, dass er oben eine förmliche Ebene trägt. 285 Auf diesem Gipfel nun hat zuerst der Hohepriester Jonathas
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/521&oldid=- (Version vom 1.8.2018)