brach in einen Schwall von Lästerungen und Verwünschungen gegen Josephus aus, die er mit dem Rufe schloss: „Mir soll nie vor einer Eroberung bangen: denn Gott gehört die Stadt!“ 99 „Ja die Stadt“, fiel ihm Josephus laut ins Wort, „die du so sauber ihrem Gott bewahrt hast! Nicht das kleinste Fleckchen, fürwahr, haftet an seinem Heiligthum! Du bist ja stets nur der reinste Tugendbold gegen den gewesen, dessen Hilfe du dir jetzt versprichst, und selbst die gesetzlichen Opfer bekömmt er nach wie vor! 100 Würde dir, elender Frevler, jemand das tägliche Brot wegstehlen, so würdest du einen solchen sicher für deinen Todfeind halten: wie kannst du dann aber von ihm, den du um einen tausendjährigen Opferdienst gebracht hast, von Gott dem Herrn auch noch einen Beistand im Kampfe erwarten? 101 Wie kannst du die Gesetzesverletzungen den Römern aufbürden, da gerade die Römer bis zur Stunde um die Aufrechthaltung unserer Gesetze besorgt sind und selbst die Wiederaufnahme der von dir unterbrochenen Opfer an Gott bei euch durchsetzen möchten? 102 Wer möchte nicht seufzen und weheklagen über eine Stadt, an der eine so seltsame Veränderung vor sich gegangen ist, dass Fremde und Feinde deine Ruchlosigkeiten, o Johannes, wieder wettzumachen bemüht sind, während du selbst, der mit der Milch des Gesetzes genährte Jude, dein Gesetz noch schlimmer tractierst, als ein Heide. 103 Indes würde dir, Johannes, gewiss auch eine reuige Umkehr von deinen Missethaten, selbst in letzter Stunde, keine Schande bringen, und hättest du überdies ein schönes Vorbild, deine Vaterstadt in hochherziger Weise zu retten, an dem König der Juden Jechonias. 104 Als nämlich einst der Babylonier seinetwegen die Stadt mit einem Heere bedrohte, da trat er, bevor noch Jerusalem erstürmt wurde, vor die Stadt hinaus und wollte lieber freiwillig mit seiner Familie sich in die Gefangenschaft begeben, als dass er diese heiligen Räume den Feinden preisgab und das Haus Gottes von ihnen niederbrennen ließ. 105 Darum auch feiert ihn ein in den Augen aller Juden heiliges Wort, und immer frisch quillt durch die Jahrhunderte der Born der Erinnerung, um seinen unsterblichen Namen den kommenden Geschlechtern zu künden. 106 Wahrlich ein herrliches Beispiel, das du nachahmen solltest, Johannes, selbst dann, wenn eine Gefahr dabei wäre! Ich kann dir jedoch auch die Verzeihung von Seite der Römer verbürgen! 107 Vergiss nicht, dass mein Rath der Rath eines Stammesgenossen ist, und dass ich als Jude für mein Versprechen einstehe. Allerdings ist dabei auch der persönliche Charakter des Rathgebers, und woher er damit kömmt, ins Auge zu fassen. Ich will damit sagen, dass ich für meine Person auch nicht eine Stunde in einer Gefangenschaft leben möchte, wo ich meine
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/452&oldid=- (Version vom 1.8.2018)