Waffen, welche nach dem strengen römischen Kriegsgesetz das Leben verwirkt hat, wenn sie aus was immer für einem Grunde vom Platze weicht. 483 Darum blieben auch diese Männer, die lieber den Tod der Tapferen leiden wollten, als den Henkertod, fest auf ihrem Posten, was zur Folge hatte, dass viele fliehende Römer sich schämten, ihre Kameraden in solches Gedränge gebracht zu haben, und sich wieder gegen den Feind wandten. 484 Man stellte auch auf verschiedenen Punkten der Lagermauern Katapulten auf und suchte damit die aus der Stadt heranstürmende Menge zum Stehen zu bringen, die sich übrigens nicht im geringsten um ihre körperliche Sicherheit oder eine Deckung kümmerte. Denn sie packte vielmehr jeden, wie er ihr gerade in den Wurf kam, und stürzte, wie blind, geradewegs in die Lanzenspitzen, so dass die Juden oft erst, den Spieß im eigenen Leibe, die Feinde mit sich niederrissen, 485 wie denn überhaupt ihr Sieg weit weniger ein Ausfluss ihrer Tüchtigkeit, als ihrer Verwegenheit war, und das Zurückweichen der Römer mehr in der Tollheit der Feinde, als in wirklichen Verlusten seinen Grund hatte.
486 (6.) Mittlerweile war auch Titus von der Antonia herübergeeilt, wohin er sich zu dem Ende entfernt hatte, um für neue Dämme einen geeigneten Platz ausfindig zu machen. Unter vielen Vorwürfen gegen seine Soldaten, dass sie, bereits hinter den feindlichen Mauern stehend, jetzt gar für die eigenen Lagermauern noch fürchten müssten und aus Belagerern auf einmal Belagerte würden, nachdem sie mit eigener Hand sozusagen den Juden die Kerkerthüre aufgemacht und den Feind sich selbst auf den Leib gehetzt hätten, machte er mit seinen Garden eine Schwenkung und griff in Person die Feinde in der Flanke an. 487 Obwohl nun die Juden ohnehin in der Front zu thun hatten, so nahmen sie es doch auch mit Titus auf und blieben unerschüttert. Es war ein furchtbares Gewühl. Das Auge sah nichts mehr als Staub, auch das Ohr vernahm nur ein wirres Getöse, so dass man weder hüben noch drüben mehr Feind oder Freund erkennen konnte. 488 Es war jetzt nicht so sehr das Vertrauen auf die eigene Kraft, was die Juden noch aufrecht hielt, als vielmehr die Verzweiflung an ihrer Rettung. Die Sehnen der Römer aber stählte der Blick auf ihren Ruhm, auf die römischen Waffen und den Cäsar an ihrer Spitze in einer Weise, 489 dass sie wohl zuletzt, wie mich bedünken will, in ihrer furchtbaren Kampfeswuth die ganze feindliche Masse vernichtet haben würden, wenn die Juden nicht durch einen raschen Rückzug in die Stadt noch dieser Wendung des Gefechtes zuvorgekommen wären. 490 Doch blieben die Dämme ruiniert, und musste der Gedanke, ein so langwieriges Werk im Verlaufe einer einzigen Stunde verloren zu
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/427&oldid=- (Version vom 1.8.2018)