damit einen noch schöneren Sieg errungen, als der war, den die einfache Eroberung ihrer Mauern bedeutete; 257 ich will sagen, dass der Parteikampf die Stadt, die Römer aber auch den Parteikampf, der viel trotziger war, als die stolzen Mauern, niedergeworfen haben, und mit gutem Grunde könnte man das düstere Verhängnis der Stadt lediglich bei ihren eigenen Kindern, auf Seite der Römer aber nur die Gerechtigkeit suchen. Doch möge sich nur jeder selbst an die Logik der Thatsachen halten.
258 (2.) Während sich aber in der Stadt die geschilderten Zustände so weiter entwickelten, war draußen Titus bereits daran, in Begleitung einer ausgesuchten Reiterschar die Mauern zu umreiten, um eine schwache Stelle für den Angriff zu entdecken. 259 Nachdem er überall vergebens nach einem solchen Punkte ausgespäht hatte, da nach den von Thälern geschützten Seiten hin die Mauer überhaupt nicht zugänglich war, nach den anderen aber, wo die erste Mauer stand, die Belagerungsmaschinen einen allzugroßen Widerstand zu erwarten hatten, entschloss er sich endlich, beim Grabmal des Hohenpriesters Johannes eine Bresche zu legen. 260 An dieser Stelle war nämlich die erste Festungsmauer etwas niedriger, während zugleich die zweite Mauer hier keinen Anschluss hatte, da man auf die Werke in der Neustadt in jenen Gegenden, wo sie nicht besonders stark besiedelt war, weniger bedacht gewesen: ja, die Römer konnten dann von da aus selbst gegen die dritte Mauer sofort einen Sturm unternehmen, um auf der einen Seite über sie hinweg in die Oberstadt einzudringen, auf dem Wege aber über die Antonia sich des Tempels zu bemächtigen. 261 Wie nun Titus so um die Stadt herumritt, wurde einer seiner Freunde, namens Nikanor, als er in Begleitung des Josephus einen Versuch machte, sich der Stadt zu nähern und die auf der Mauer stehenden Juden, welchen er keine unbekannte Persönlichkeit war, zum Frieden zu bewegen, an der linken Schulter von einem Pfeile getroffen. 262 Dieser Zwischenfall zeigte dem Titus noch greller die Verbissenheit der Juden, die sich, wie er eben gesehen, sogar an solchen zu vergreifen wagten, welche in wohlmeinendster Absicht sich ihnen nähern wollten, und das feuerte ihn noch mehr zu den Belagerungsarbeiten an. Er ließ die ganze Gegend vor der Stadt durch seine Heeresabtheilungen verwüsten und gab den Befehl, das Material für die Dämme zu sammeln und die letzteren dann sofort in Angriff zu nehmen. 263 In drei Abtheilungen wurde das Heer zu den Dammarbeiten commandiert, zwischen den einzelnen Dämmen aber mussten die Wurfspießschleuderer und Bogenschützen, vor ihnen aber noch die Armbrustgeschosse und Katapulten, wie auch die Steinschleudermaschinen Posto fassen, um die Ausfälle
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/399&oldid=- (Version vom 1.8.2018)