eine Schande gilt“. 126 Diese scharfen Worte an die Officiere ließen bereits klar durchblicken, dass Titus gegen alle insgesammt nach der ganzen Strenge des Gesetzes vorgehen wolle. Der Schuldigen bemächtigte sich die größte Muthlosigteit in der sicheren Erwartung demnächst die verdiente Todesstrafe erleiden zu müssen. 127 Jetzt bestürmten aber die Legionäre scharenweise den Titus mit ihren Bitten für die Kriegsgefährten und flehten ihn fußfällig an, doch die Voreiligkeit einiger weniger im Hinblick auf den pünktlichen Gehorsam aller anderen verzeihen zu wollen: gewiss würden dieselben ihren jetzigen Verstoß durch musterhaftes Benehmen in Zukunft wieder wett zu machen suchen.
128 (3.) Der Cäsar ließ sich durch diese Bitten nicht minder, wie durch die Rücksicht auf den eigenen Nutzen gnädig stimmen. Er gieng nämlich von der Ueberzeugung aus, dass der einzelne schuldige Mann stets der vollen Strafe zugeführt werden müsse, dass man es aber einer größeren Zahl gegenüber bei der bloßen Drohung bewenden lassen solle. 129 Er machte also zunächst den Soldaten eindringliche Vorstellungen, dass sie in Hinkunft besonnener sein sollten, und ließ Gnade walten. Er selbst spähte von da an eifrig nach einer Gelegenheit, um sich für die Hinterlist der Juden bezahlt zu machen. 130 Nachdem in vier Tagen der ganze Abstand bis zur Mauer vollständig planiert war, beabsichtigte er, das Gepäck und den Tross unter sicherer Bedeckung näher heranzuziehen, und ließ zu diesem Zwecke seine besten Truppen in Schlachtordnung von sieben Mann Tiefe von Norden nach Westen der Stadtmauer gegenüber Aufstellung nehmen. 131 Die vorderen Reihen bildete das Fußvolk, die hinteren die Reiterei, beide zu je drei Reihen: zwischen ihnen waren als siebente Reihe die Bogenschützen postiert. 132 Da jeder Ausfall von Seite der Juden an diesem gewaltigen Ring sich brechen musste, konnten nunmehr die Lastthiere der drei Legionen und der Tross ungefährdet der Stadt entlang ziehen. 133 Titus bezog nun, ungefähr zwei Stadien von der Stadtmauer entfernt, an deren Eckseite gegenüber dem sogenannten Psephinusthurm, wo der nach Norden verlaufende Mauerkreis eine Ausbiegung nach Westen macht, ein festes Lager. 134 Der andere Theil des Heeres verschanzte sich beim sogenannten Hippikusthurm, gleichfalls in einem Abstand von zwei Stadien. 135 Die zehnte Legion blieb jedoch auf ihrem früheren Standort am Oelberg.
136 (1.) Die Stadt war mit Ausnahme jener Seiten, wo sie ohnehin von unzugänglichen Schluchten umgeben war, und wo sich deshalb nur eine einzige Mauer befand, von einem dreifachen Befestigungs-
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/385&oldid=- (Version vom 1.8.2018)