Osten vorgelagert und durch ein dazwischenliegendes tiefes schluchtartiges Thal, Kedronthal genannt, davon geschieden ist, sich zu verschanzen.
71 (4.) Die von außen her so plötzlich mit aller Gewalt heranstürmende Kriegsfurie unterbrach jetzt zum erstenmal den inneren Hader und die ewigen Zusammenstöße in der Stadt. 72 Starr vor Schrecken sahen die Aufrührer auf die römischen Heeresmassen, wie sie auf drei Punkten zugleich ihr Lager aufschlugen, und ließen sich nun endlich zu einer, freilich ebenso unrühmlichen, Verständigung herbei, indem sie sich gegenseitig diese und andere Worte der Ermunterung gaben: 73 „Wozu zaudern wir denn noch, oder was haben wir denn eigentlich, dass wir uns so geduldig durch die drei Schanzen da die Luftlöcher verstopfen lassen, und während sich dort ungestört eine ganze feindliche Veste uns gegenüber zum Trutze aufthürmt, wir sein ruhig, die Hände im Schoß und die Rüstung am Boden, hinter der Mauer hocken, gleich als hätten wir nur ein gar säuberliches und nutzbares Werk mit Interesse zu beschauen. 74 Also sind wir“, schrien sie höhnisch, „nur tapfer gegen einander, und dem Römer soll wegen unseres Zwistes ohne einen Blutstropfen von seiner Seite die Stadt in den Schoß fallen!“ Mit diesen und ähnlichen Worten feuerten sich die nunmehr vereinigten Scharen gegenseitig an, 75 warfen sich dann eilends in ihre Rüstungen, um sofort auf die zehnte Legion einen Ausfall zu machen. Unter einem betäubenden Geschrei stürmen sie durch die Thalschlucht und fallen die eben an der Befestigung des Lagers arbeitenden Römer an. 76 Die Römer, welche, in mehrere Partien vertheilt, an der Arbeit waren und zu letzterem Zwecke auch die meisten Waffen abgelegt hatten, zumal sie ja annehmen konnten, dass die Juden nicht so toll sein würden, einen Ausfall zu wagen, und dass, wenn sie schon dazu Lust haben sollten, ihre Kampfbegier durch die inneren Feinde in Anspruch genommen sein würde, 77 waren im Nu in allgemeiner Verwirrung: Alles ließ von der Arbeit, einige um geradewegs zu fliehen, viele, um sich schnell ihre Waffen zu holen; sie wurden jedoch, bevor sie sich den Feinden damit entgegenwerfen konnten, getroffen und niedergestreckt. 78 Kühn gemacht durch den Vortheil, welchen die ersten beim Ausfall über die Römer errungen, strömten den Juden immer mehr Streiter nach, und sie schienen sich bloß darum, weil sie Glück hatten, sowohl in ihren eigenen Augen, wie vor denen der Feinde zu vervielfachen. 79 Was aber bei Soldaten, die an Reih’ und Glied gewöhnt sind, und die nach einer bestimmten Ordnung, wie auch unter einem bestimmten Commando zu kämpfen gelernt haben, am allerschlimmsten wirkt, ist ein unvorhergesehener Durchbruch der militärischen Ordnung. Das war denn auch damals die Ursache, dass
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/379&oldid=- (Version vom 1.8.2018)