längst seine besorgten Blicke auf den römischen Kaiserthron gerichtet, so war es ihm doch keineswegs je in den Sinn gekommen, sich selbst darauf zu setzen, da er, wenngleich von seinen Verdiensten um denselben überzeugt, dennoch den sicheren Privatstand einem Leben voll der Gefahr im kaiserlichen Glanze entschieden vorzog. 603 Je mehr sich aber Vespasian sträubte, desto mehr drangen die Unterfeldherrn in ihn, die Soldaten aber umringten ihn von allen Seiten und drohten sogar mit dem Schwert in der Faust, ihm den Tod zu geben, wenn er nicht sein Leben der Ehre der Krone weihen wolle. 604 Zunächst suchte Vespasian viele Gründe geltend zu machen, die es ihm geböten, die Regierung auszuschlagen: als er aber damit nicht durchdrang, so fügte er sich endlich ihrem Rufe.
605 (5.) Während nun Mucianus und die anderen Führer Vespasian gleich zu einem Angriff auf Vitellius zu bestimmen suchten, und das ganze Heer stürmisch gegen die feindliche Hauptmacht geführt zu werden verlangte, wollte der Kaiser zunächst mit Alexandrien Fühlung bekommen. Einmal wusste er ja zu gut, dass Aegypten wegen seiner Getreidelieferungen für den Besitz der Herrschaft geradezu ausschlaggebend wäre. 606 War er einmal Herr dieses Landes, so konnte er auch im Falle, dass er in offener Feldschlacht den Kürzeren ziehen müsste, sicher hoffen, Vitellius zu Boden zu werfen; denn das Volk in Rom konnte, wie er wusste, eines durchaus nicht ertragen – Hunger leiden! Außerdem wollte sich Vespasian mit den zwei in Alexandrien liegenden Legionen verstärken. 607 Ferner gedachte er gerade diese Provinz zu einer Vormauer gegen unberechenbare Schicksalsschläge zu benützen, da ein Einfall zu Land hier sehr schwierig ist, die Meeresküste aber keinen Hafen besitzt. 608 Gegen Westen sind dem Lande die wasserlosen Wüsten Libyens vorgelagert, nach Süden die Grenzscheide gegen Aethiopien hin, Syene mit den unpassierbaren Stromschnellen des Nil, dann von Osten her das rothe Meer, das es bis Koptus hin umspült, 609 während nach Norden das Land bis Syrien und das sogenannte ägyptische Meer, das ganz arm an Ankerplätzen ist, eine natürliche Schutzwehr für das Land bildet. 610 Auf solche Art ist Aegypten von allen Seiten hin durch die Natur selbst befestigt. Seine Längenausdehnung von Pelusium bis Syene beträgt 2000 Stadien, die Länge der Seeküste von Plinthine bis Pelusium aber 3600 Stadien. 611 Der Nil ist bis zur sogenannten Elephantenstadt hinauf schiffbar, darüber hinaus wird ein weiteres Vordringen durch die vorerwähnten Katarrakten verwehrt. 612 Was den Hafen von Alexandrien betrifft, so ist das Einlaufen schon zu Friedenszeiten für die Schiffe mit Schwierigkeiten verbunden, weil seine Einfahrt enge ist, und das Schiff zur Vermeidung unterseeischer
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/361&oldid=- (Version vom 1.8.2018)