thum sogar Weihgeschenke erblicken, welche die Hand der Römer gespendet hat, während man ebendort in den Händen unserer Stammgenossen die Beutestücke schauen muss, die sie der Blüte der Hauptstadt geraubt und mit deren Blute bespritzt haben, wenn wir die Leichen gemordeter Männer schauen, deren selbst die Römer im Falle einer Erstürmung geschont haben würden; 182 ja sehen zu müssen, wie die Römer niemals die Schranke des Heidenvorhofes überschritten und nicht eine unserer heiligen Gewohnheiten bei Seite gesetzt, vielmehr sich begnügt haben, von weitem auf die Mauern des Tempels mit einem geheimen Schauer hinzusehen, 183 während gewisse Leute, die auf diesem unserem Boden das Licht der Welt erblickt haben, die unter dem Einfluss unserer Sitte auferzogen worden sind und den Namen „Juden“ führen, im Herzen des Heiligthums herumstampfen, die Hände noch bedeckt mit dem warmen Blute ihrer gemordeten Brüder! 184 Sollte da jemandem noch bange sein vor einem bloßen Kampf nach außen und vor Leuten, die im Vergleich zu den unserigen tausendmal gemäßigter gegen uns sind? Denn, wenn wir ehrlich die Dinge beim rechten Namen nennen sollen, so könnte man wohl sogar in den Römern Schirmer unserer Gesetze, in den Einheimischen dagegen ihre wahren Feinde finden! 185 Uebrigens, glaube ich, seid ihr alle schon von Hause aus mit der vollen Ueberzeugung hiehergekommen, dass diese heimlichen Feinde unserer Freiheit von Grund aus verworfen seien, und dass man gar keine Strafe gegen sie ausdenken könne, welche da ihren Schandthaten angemessen wäre, wie ich auch glaube, dass euch schon vor meiner Ansprache die Unthaten, die ihr selbst von diesen Bösewichtern erfahren habt, aufs höchste empört haben. 186 Vielleicht aber flösst doch den meisten aus euch ihre Masse und Frechheit, wie auch ihre vortheilhafte Stellung Schrecken ein. 187 Wie indes diese Vortheile nur durch eure Saumseligkeit den Feinden erwachsen sind, so werden sie ebenso gewiss auch von jetzt an noch immer zunehmen, falls ihr noch länger die Entscheidung hinausschiebt. Denn was ihre Masse anbelangt, so schwillt dieselbe von Tag zu Tag, da jeder Taugenichts zu seinesgleichen überzulaufen trachtet, 188 das Feuer ihres Uebermuthes aber muss schon der eine Umstand schüren, dass sie bis zur Stunde gar keinem Widerstand begegnet sind, und in Betreff der Stellung könnte es wohl auch geschehen, dass sie, einmal dort oben, sich auch dort planmäßig verschanzen, wenn wir ihnen die Zeit dazu lassen. 189 Gebet euch andererseits der vollen Ueberzeugung hin, dass, wenn wir den Sturm auf das Gesindel wagen, das schlechte Gewissen ihren Arm lähmen, und dass den Vortheil der Höhe kluge Berechnung unsererseits wettmachen werde. 190 Vielleicht kehrt sogar die
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)