sprang noch hinab, nahm das Stück den Feinden vor der Nase weg und trug es mit erstaunlicher Keckheit auf die Mauer zurück, 231 wobei er jedoch, das Ziel aller feindlichen Geschosse und unbewehrten Leibes jeder Verwundung ausgesetzt, von fünf Pfeilen durchbohrt wird. 232 Dennoch setzte er, ohne darum sich auch nur ein einzigesmal umzuschau’n, seinen Weg fort, bis er die Höhe der Mauer wieder erklommen hatte und nun mit seiner ruhmvollen Beute von allen in der Runde gesehen werden konnte. In diesem Augenblick aber begann er sich unter den Schmerzen seiner Wunden wie ein Wurm zu krümmen und stürzte mit dem Widderkopf über die Mauer herab. 233 Am meisten nach ihm zeichneten sich zwei Brüder, namens Netiras und Philippus, von dem Dorfe Ruma, ebenfalls in Galiläa, aus, indem sie sich auf die Leute von der zehnten Legion warfen und mit so heftiger Gewalt auf die Römer stießen, dass sie ihre Schlachtreihen zerrissen und, wohin sie stürmten, alles vor sich her scheuchten.
234 (22.) Aus solche Art war es nun auch dem Josephus und der übrigen Kriegerschar, die mit zahlreichen Feuerbränden bewaffnet diesen Männern gefolgt war, gelungen, der fünften und zehnten Legion, die eben geworfen worden waren, ihre Maschinen nebst den Schutzlauben, sowie die eigentlichen Wallbauten anzuzünden, während die übrigen Römer noch bei Zeiten ihr Belagerungszeug und ihr gesammtes Holzwerk mit Erdreich zudecken konnten. 235 Doch waren die Römer schon gegen Abend wieder in der Lage, den Widder aufzustellen und an derselben Stelle gegen die Mauer zu rücken, wo sie schon früher unter seinen Schlägen gelitten hatte. 236 Da geschah es, dass einer von den Vertheidigern von der Mauer aus den Vespasian mit einem Wurfgeschoss an der Fußsohle traf und ihm eine Wunde beibrachte. Die Verwundung war allerdings nur eine leichte, da die Entfernung die Gewalt des Projectiles schon erheblich verringert hatte, aber sie rief immerhin bei den Römern die größte Aufregung hervor. 237 Kaum hatte man nämlich die Bestürzung gewahrt, die sich der Begleitung Vespasians beim Anblick des Blutes bemächtigt hatte, als auch schon das Gerücht von der Verletzung des Feldherrn durch das ganze Belagerungsherr flog. Von Furcht und Entsetzen ergriffen, ließen die Meisten die Belagerungsarbeiten stehen und liefen um den Führer zusammen. 238 Am ersten war, von der Sorge um seinen Vater gejagt, Titus zur Stelle, und man kann nicht sagen, ob dem Heere der Unfall des geliebten Oberfeldherrn oder die Angst des Sohnes mehr zu Herzen gieng. Indes gelang es dem Vater schnell wieder die Besorgnis des Kindes, wie auch die Befürchtungen des Heeres zu zerstreuen, 239 indem er sich, nachdem er den ersten Schmerz verbissen hatte, alsbald im
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/262&oldid=- (Version vom 19.2.2020)