begleitete diese Forderung mit der Drohung, dass sie selbst seine Rache zu kosten bekämen, wenn sie ihm die Uebelthäter nicht zur Stelle schaffen würden. Die Angeredeten gaben dem gegenüber die Erklärung ab, dass das Volk ganz friedliche Absichten hege, und baten für jene, die sich unpassender Aeußerungen schuldig gemacht hätten, um Pardon. 303 Es sei doch gar kein Wunder, bemerkte man ihm, dass es unter einer so riesigen Volksmenge immer einige verwegenere Leute und jugendliche Tollköpfe gebe, und es sei auch andererseits ganz unmöglich, die Schuldigen von den Unschuldigen zu unterscheiden, weil ja die Sache einem jeden jetzt leid thäte, und die betreffenden schon aus Furcht vor der Strafe ganz gewiss alles ableugnen würden. 304 Uebrigens sei es die Pflicht des Landpflegers, für die Aufrechthaltung des Friedens im Volke zu sorgen und alle Maßnahmen zu treffen, um die Stadt den Römern zu erhalten. Florus möge also lieber aus Rücksicht auf soviele ganz unschuldige Menschen auch den wenigen, die sich vergangen hätten, Gnade angedeihen lassen, als wegen etlicher Taugenichtse soviel braves Volk in die größte Aufregung versetzen.
305 (9.) Auf diese Antwort hin brauste Florus noch mehr auf und schrie jetzt seinen Soldaten zu, dass sie den sogenannten oberen Markt ausplündern und niedermetzeln sollten, wen immer sie träfen. Als die ohnehin schon nach Beute lüsternen Soldaten auch noch durch ihren eigenen Führer dazu aufgefordert wurden, begannen sie nicht bloß den ihnen überlassenen Stadttheil zu plündern, sondern stürmten die Häuser ohne Unterschied und machten ihre Bewohner nieder. 306 Gassen auf, Gassen ab wogte eine wilde Flucht, und wer eingeholt wurde, ward niedergestochen; man raubte, wo und wie man konnte. Selbst viele gutgesinnte Bürger wurden verhaftet und zu Florus geschleppt, der sie nach vorgängiger grausamer Geißlung ans Kreuz schlagen ließ. 307 Die Gesammtzahl der Opfer, die an jenem einzigen Tage gefallen, die Frauen und Kinder eingerechnet – denn nicht einmal die kleinen Kinder schonte man – stieg auf 3600! 308 Was aber dem Unglück eine besondere Schwere verlieh, das war eine bis jetzt an den Römern noch nie gesehene Grausamkeit. Denn was kein früherer Landpfleger sich zu thun getraut, das that der freche Florus: er ließ Männer aus dem Ritterstande vor seinem Richterstuhle geißeln und dann ans Kreuz nageln, Männer, sage ich, die, wenn auch Juden von Geburt, so doch wenigstens dem Range nach, den sie bekleideten, Römer waren!
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/186&oldid=- (Version vom 1.8.2018)