345 (9.) Nach der Heirat kehrte er mit einem noch größeren Heere nach Jerusalem zurück. Mit ihm vereinigte sich jetzt auch Sosius an der Spitze einer sehr bedeutenden Armee aus Reitern und Fußgängern, welche er durch das Binnenland vorausgesendet hatte, während er für seine Person den Weg über Phönicien gewählt hatte. 346 Die gesammte vereinigte Macht, bestehend aus eilf Legionen Fußvolk und 6000 Reitern, abgesehen von den Hilfscorps aus Syrien, die ein nicht unbeträchtliches Contingent ausmachten, lagerte sich in der Nähe der nördlichen Mauer unter der obersten Leitung des Königs Herodes, der sich in seiner Proclamation auf das Ernennungsdecret des Senates stützte, während der römische Commandant Sosius sich auf den Befehl des Antonius berief, das ihm unterstehende Heer dem Herodes zuzuführen.
347 (1.) Die Aufregung, die unter der jüdischen Menge in der Stadt herrschte, nahm nach deren Charakter die verschiedensten Formen an. Während die Schwächeren voll heiliger Begeisterung scharenweise in den Tempel eilten, wo gottbegnadete Personen viele Prophezeiungen auf die Zeitereignisse machten, streiften die Keckeren bandenweise umher und verübten alle Arten von Raubthaten. Ganz besonders räumten sie in der Umgebung der Stadt auf, da factisch schon bei der Ankunft des römischen Heeres weder für Pferde noch Mannschaft etwas zum Leben sich vorfand. 348 Die regulären Kämpfer endlich waren zur Abwehr des Sturmes beordert und suchten zunächst die Wallarbeiter von der Mauer aus in ihrem Werke zu stören und später gegen die bereits aufgestellten Maschinen immer neue Hindernisse ausfindig zu machen; in keinem Punkte aber waren sie den Feinden so sehr überlegen, wie im Graben von Minen.
349 (2.) Gegen die Plünderungen der Gegend wurden vom König geschickt angelegte Hinterhalte in Anwendung gebracht, durch die er in der That die Streifzüge aus der Stadt wirksam verhinderte, während dem Mangel an Lebensmitteln weit ausgedehnte Proviant- und Fouragierzüge abhelfen mussten. Auch im offenen Kampf war er gegenüber den Belagerten infolge der römischen Kriegskunst im Vortheile, obschon ihre Tollkühnheit keine Schranke kannte. 350 Wenn sie auch den Zusammenstößen mit den Römern in offenen Ausfällen wegen der augenscheinlichen Gefahr, unnütz hingemetzelt zu werden,
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/076&oldid=- (Version vom 1.8.2018)