Kulturvölkern notthut: Erneuerung durch die Lebenskräfte des Evangeliums bietet ihnen keine noch so hochentwickelte Bildung Ersatz, und für die Naturvölker ist ohnehin die unvermittelte Berührung mit der europäischen Civilisation wie ein tötender Hauch, vor dem sie verwelken und zerstäuben. Nein, es bleibt dabei, die wirksame Kraft aller Mission ist das Wort: das ist das Schwert des Geistes, mit dem wir in den heiligen Kreuzzug der Mission ziehen, das ist die Hirtenschleuder Davids, mit der wir den Riesen des Heidentums erlegen werden; das ist aber auch andrerseits für die verschmachtende Heidenwelt das Brot des Lebens, das allen Hunger der Seele stillt.
Aber, geliebte Missionsfreunde, wenn wir nun die Boten Gottes so hinausziehen sehen in die Heidenlande, ausgerüstet mit der guten Wehr und Waffe des Worts, beruhigen wir uns dann mit dem Gedanken, daß sie nun, wie man sagt, wohl selber fertig werden können? Oder fühlen wir doch ein Bedürfnis, eine Verpflichtung auch unsrerseits ihrer uns anzunehmen, fürbittende Hände für sie aufzuheben, den einsamen Streitern auf ihren Vorposten mitten in Feindesland das tröstliche, stärkende Bewußtsein zu verschaffen, daß hinter ihnen eine Beterschaar steht, die ihnen kämpfen, leiden, siegen hilft? Nun wer wirklich ein Missionsfreund ist, der wird den Missionaren die größte Wohlthat, nach der sie hungern und dürsten, gewiß nicht versagen: die Wohlthat der Fürbitte. Die Missionare draußen, ja auch daheim diejenigen, denen die Sorge und Verantwortung für das Werk der Mission aufliegt und oft schwer auf der Seele liegt, sie flehen Euch an um das Almosen der Fürbitte, sie danken Euch jedes Vater-Unser, ja jeden gläubigen Seufzer, den Ihr für sie zum Thron der Gnade schickt. Wenn wir nun aber schon um gläubige Fürbitte von Menschen so froh und dankbar sind, welche Freude, welche Herrlichkeit ist es dann, in unserm Text den ewigen Hohenpriester Selber zu sehen, wie Er in dieser feierlichen Stunde vor Seinem Scheiden Seine Hände aufhebt und zu Seinem himmlischen Vater betet – für das Werk der Mission, der Mission aller Zeiten. „Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Er betet für die, die Er sendet, und für die, so durch ihr Wort an Ihn glauben werden, Er betet für die Missionare und für die Mission. Er hat laut vor den Ohren seiner Jünger gebetet, damit sie’s hörten, damit sie’s aufzeichneten, damit wir’s wüßten, daß Er für die Mission gebetet, daß Er beim Antritt seines hohenpriesterlichen Amtes begonnen hat, was Er seitdem fortsetzt im ewigen Heiligtum: die Fürbitte auch für das Werk der Mission. O wie
Johannes Deinzer: Die Mission im Lichte des hohenpriesterlichen Gebetes Jesu. Verlag der Joh. Phil. Raw’schen Buchhandlung, Nürnberg 1889, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Johannes_Deinzer_-_Predigt_%C3%BCber_Joh._17,_18-21.pdf/7&oldid=- (Version vom 5.7.2016)