Das that der kleine Prinz auch, und seine Mutter gab ihm einen Klapps, daß er immer käme, obgleich ihm nichts fehle; aber von dem Schlüssel merkte sie nichts.
Am Abend kam der König zu Hause und eilte sogleich zu dem wilden Mann, um sich von ihm Rats zu erholen. Da war die Thüre verschlossen; aber das Gefängnis war leer.
„Wer hat den wilden Mann herausgelassen!“ rief er zornig und lief zu der Königin und schalt sie, daß sie den Schlüssel aus der Tasche gegeben.
„Von mir hat niemand den Schlüssel bekommen,“ sagte die Königin.
Mit einem Male fiel ihr das Gebahren des kleinen Prinzen ein, sie erzählte dem König die Geschichte und rief:
„Sollte er wohl den Schlüssel aus meiner Tasche genommen haben?“
Da mußte der Junge vor den König kommen und sollte gestehen. Anfangs wollte er von nichts etwas wissen, dann weinte er sehr, und endlich sagte er:
„Ja, ich habe Muttern den Schlüssel gestohlen.“
„Der Galgenstrick,“ sprach der König zu der Königin, „der fängt mit dem Stehlen früh an; und wenn es auch unser einziges Kind ist, er soll morgen vom Henker gerichtet werden.“
Der kleine Prinz hatte aber an der Thüre gehorcht, was sein Vater zu der Mutter sagte; und da er sich nicht hängen lassen wollte, so lief er aus dem Schlosse heraus in den Wald und suchte Himbeeren und Erdbeeren
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)