seinen Herrn die Dorfstraße herunter tragen. Der schaute rechts und schaute links, Bauerhöfe genug, aber einer mit zwei Lindenbäumen vor dem Thore war nirgends zu erblicken. Er wandte um und ritt die Dorfstraße noch einmal entlang und endlich gar ein drittes Mal; als er aber auch da seinen Hof nicht entdecken konnte, sprach er bei sich: „Es ist ein Dorf, wie unsers, und doch ist’s nicht unsers. Ich bin in die Irre gegangen, ich weiß nicht wie.“ Und dann machte er, daß er das Dorf hinter sich bekam.
Er ritt und ritt die ganze Nacht durch; und als der Morgen anbrach, langte er in einem Dorfe an, das er noch gar nicht kannte. Dort kehrte er in dem Kruge ein, brachte den Braunen in den Stall und ließ sich von dem Wirt Speise und Trank vorsetzen. Und nachdem er satt gegessen und getrunken hatte, hing er seinen Gedanken nach, wie es gekommen sei, daß er seinen Hof nicht habe wieder finden können.
Indem er so vor sich hin sah und grübelte, trat ein Mann in den Krug und sprach zu dem Krüger: „Gevatter, weißt du mir nicht Rat und Hilfe? Mein junger Fuchswallach liegt im Stalle und hat alle viere von sich gestreckt.“
„Was versteh’ ich von Pferden!“ antwortete der Krüger. „Ich habe das Doktern nicht gelernt; aber der alte Mann da am Tische, der sieht so aus, als wenn er etwas könnte.“
„Vater“, sprach darauf der Mann und wandte sich zu ihm, „kommt mit mir in den Stall und helft meinem Pferde!“
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)