Es war einmal ein reicher Bauer, der hatte Äcker und Wiesen und Weideland und einen großen Wald. Als nun die Zeit kam, daß Langholz und Klobenholz gefahren wurde, wo er mit allen Knechten tagaus, tagein in den Busch mußte, verdroß ihn das schlechte Alltagsessen bei der harten Arbeit, und er sagte darum eines Nachts zu seiner Frau:
„Mutter, wir haben den ganzen Hof voll Hühnervolk. Was brauche ich immer dasselbe zu essen, wie Knecht und Magd! Du könntest mir morgen wohl ein gebratenes Huhn auf den Tisch setzen.“
„Das sollst du haben, Vater,“ antwortete die Frau; und als am andern Morgen der Mann ausgefahren war, fing die Bäuerin ein Huhn und schnitt ihm den Hals ab, rupfte und sengte es und nahm es aus und legte es in die Pfanne.
Der Nachbarin von drüben zog der liebliche Geruch in die Nase, und sie kam, wie sie ging und stand, herübergelaufen und sprach: „Nawersch, was giebt’s? Hier riecht’s ja so braterig!“
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)