sie, ihr offen in das blasse Gesichtchen schauend. „Ich werde schweigen, auch über den Brief, den Sie mit so wilder Verzweiflung in den Mienen auf der Bank in den Parkanlagen lasen.“
Sie lehnte halb bewußtlos an dem hohen, reich geschnitzten Eichnbüfett. Ihre ganze Haltung drückte die trostloseste Ermattung aus. Aufs neue sprach ich ihr begütigend zu. Ich hatte ihre Hand ergriffen und streichelte unwillkürlich ihre bebenden Finger.
„Marga, wollen Sie mir nicht Vertrauen schenken?“ bat ich, ihre Hand heftig drückend. „Vielleicht kann ich Ihnen helfen … Sehen Sie, auch Tante ist Ihr merkwürdiges Wesen schon aufgefallen. Das kann doch so nicht weiter gehen. Sie verzehren sich ja bei diesen steten Bemühungen, Ihr Geheimnis, daß auch ich nicht kenne, vor aller Welt zu verbergen.“
Doch ablehnend, in höchster Mutlosigkeit offenbar, schüttelte sie den Kopf.
„Mir kann niemand helfen, niemand. Und wenn Sie Erbarmen mit mir haben, Fred, so sprechen Sie niemals mehr von dieser Sache, nie wieder.“
„Gut, wie Sie wünschen, Marga. – Und nun nehmen Sie das Tablett und kommen Sie. Sonst könnte unsere lange Abwesenheit auffallen.“
Bei der nun folgenden Skatpartie hatte ich ein geradezu unglaubliches Glück. Trotzdem richtete ich es geschickt wieder so ein, daß Onkel gewann. Ich wußte ja, welche Freude ihm das machte.
Erst gegen elf Uhr rechneten wir ab. Onkel Grunert hatte wirklich als einziger von uns ein Plus zu verzeichnen und strich schmunzelnd seinen Gewinn von 6,85 Mark ein.
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)