Frauenzimmer, die über den Wendepunkt hinaus sind, zuhören, Du würdest sonst übles Spiel haben.
Berganza. Glaube das nicht, mein Freund! – Im Grunde fühlen die Frauenzimmer es selbst, wie in jener Blüthezeit sich ihr ganzes Leben konzentrirt, denn nur daraus läßt sich die ihnen mit Recht vorgeworfene Thorheit erklären, ihr Alter zu verläugnen. Ueber den Wendepunkt hinaus will Keine; sie sträuben und sperren sich; sie kämpfen hartnäckig um das kleinste Plätzchen hinter dem Schlagbaume, der, sind sie hindurch, ihnen das Land voll Wonne und Heiterkeit auf immer verschließt. Drängen nun die jugendlichen Gestalten immer mehr und mehr, und jede in die schönsten Blüthen des Frühlings geputzt, frägt: was will die Ungeschmückte, Traurige unter uns? dann müssen sie fliehen voller Schaam und retten sich in den kleinen Garten, von dem sie wenigstens in den glänzenden Frühling hinüberschauen können, und an dessen Ausgang die Zahl Dreißig steht, vor der sie sich fürchten, wie vor dem Engel mit dem flammenden Schwert.
Ich. Das ist sehr pittoresk, aber auch mehr pittoresk, als wahr! Denn habe ich nicht selbst ältere Weiber gekannt, deren Liebenswürdigkeit den Mangel an Jugend ganz vergessen ließ?
Berganza. Das ist nicht allein möglich, sondern ich will Dir sogar zugestehen, daß der Fall nicht
E. T. A. Hoffmann: Fantasiestücke in Callot’s Manier. Kunz, Bamberg 1819, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoffmann_Fantasiest%C3%BCcke_in_Callots_Manier_Bd.1_1819.pdf/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)