Von dem, der den Reichthum, wie von dem, der die Ehre suchte, war es schon nach der halben Frist gewiß, daß sie kommen würden; man sah und hörte wie rasch sie ihren Weg machten. Die anderen Zwei verloren sich in der Menge der Mittelmäßigen.
Als aber der bestimmte Tag erschien, da war Wilhelm als Erster zur selben Stunde wie damals an dem alten Ort. Dann kam der, den sie Romeo nannten. Die Beiden mußten freilich auf der Straße stehen und harren, nachdem sie einander die Hände geschüttelt hatten. Denn das Studentenwirthshaus war längst geschlossen worden, weil die Universität von hier weit weg in ihren neuen Palast gezogen war. Wilhelm sah ein bißchen dürftig aus in seinem abgetragenen Rock. Romeo hatte einen Schmeerbauch, und als er den Hut zog, leuchtete seine Glatze beim Scheine der Laternen.
„Gerade wir sind die Ersten,“ sagte er staunend, „vielleicht die Einzigen?“
„Du hast mich wohl gar nicht erwartet,“ lächelte Wilhelm.
Da fuhr ein schöner Wagen mit einem edlen Gespann vor. Der magere Herr, der ausstieg und dem Kutscher einige Worte nervös zuwarf, das war der „Millionär“ von einst. Er gab gleichzeitig Wilhelm die rechte und Romeo die linke Hand:
„Nun, da stehen wir natürlich auf der Gasse. Wir hielten damals nur den Zusammenbruch unserer Hoffnungen und nicht auch den des Wirthshauses für möglich.“
„So ist es doch besser,“ schmunzelte Romeo. „Drei sind wir gekommen, ein schöner Procentsatz immerhin. Sollten wir zufällig in der besten der denkbaren Welten leben? Nur, daß Excellenz nicht kommt, begreif’ ich nicht. Der hätte doch Grund genug.“
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)