Werdens, „herrlich wie am ersten Tag“, rühmen es, wenn das Schutz- und Trutzlied von der festen Burg im rechten Geiste gemeint und gesungen wird.
Aber um der Wahrheit willen, die von der Liebe nicht entkräftet, nur erwärmt wird, wissen wir uns von dem Wahne geschieden, als ob nach dem Kriege ein neues Leben erwachen wollte, das Christo seine Lieder darbrächte und seinem Willen sich zu eigen gäbe. – Die alten Gegner sind nicht gestorben, sondern nur eine Weile zurückgetreten. Die Feinde der göttlichen Weltordnung leben und wollen leben und sich ausleben. da wird die Innere Mission, die unter dem Sturmläuten des Jahres 1848 zwar nicht geboren, aber neu erweckt ward, ihr bestes tun müssen. Ihre selige Pflicht heißt: „Ich glaube“, ihr Wappen ist das Kreuz, ihr Adelsbrief: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. – Sie kann den Adelsbrief zerreißen, das Wappen ändern, aber sie kann es nicht, ohne ihr Wesen zu verlieren. Dann heiße sie Sozialismus oder Kulturismus oder Humanitarismus, je klarer, desto freier, je freier, desto besser. Aber Christi Geist hat sie nimmer, denn sein Geist bewahrt, was er hat, um zu bewahren, was ihn nicht hat. Apologia vitae est vita. Daß Jesus ist, wirklich und wesentlich ist, nicht ein Glaubenssatz ist das, sondern eine Lebenskraft, die eben im Leben bewährt wird. Carlyle sagt einmal, der Lebensnerv der Religion sei die Initiative. Daß gegenüber der Irreligiosität, deren Kraft die Verneinung und deren Tat die Sammlung der Verneinenden ist, dieser alte Glaube Mut zum Angreifen und Eingreifen hat, nicht Erweisbares zu beweisen und zu verteidigen, aber christliche Weltanschauung in ihrer königlichen Souveränität und dienenden Willigkeit als im Glauben über sich, in der Liebe unter sich zu vertreten, das ist innerste Mission, die nicht in Worten spricht, sondern in Kraft steht.
Alle Antithese gegen das Übersinnliche wird nur durch die These bestanden, welche das Ewige konkretisiert, die Lehre ins Leben umgestaltet und dieses aus ihr. Wenn das alte Zeugnis, nicht der Unkenruf unweltläufiger Weltflucht, sondern das Jugendbekenntnis wahrer Freude und die Lust zum reisigen, ritterlichen Leben in Gott, wider alle Gemeinheit in Wort und Wandel, gegen Sinnlichkeit und Sybaritentum, die so gerne nach schweren Anstrengungen einkehren, gegen Genußsucht und das Behagen an Flüchtigem, gegen Beugung der Würde und der Sitte unter Mode und Willkür der Tagesgrößen gelten will, dann ist es stets auf dem Wege der Pflicht. Denn Pflicht der guten Sache ist, gut zu sein. –
Aber man könnte mir billig und mit gutem Grunde einhalten, daß die Pflicht der inneren Mission so aus den allgemeinen wie aus den besonderen Verhältnissen doch nicht die nähere Bestimmung rechtfertige, die mit den Worten „in Bayern“ gegeben ist. Denn wenn anders innere
Hermann von Bezzel: Pflicht und Recht der Inneren Mission. Paul Müller, München 1915, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflicht_und_Recht_der_Inneren_Mission.pdf/14&oldid=- (Version vom 9.9.2016)