daß ich siegen will“. Dieser Glaubenstrotz läßt sein Leben nie brach liegen. Es hat niemand Luther einer Unmännlichkeit zeihen können. Trutzig scheinbar in der Stimme, aber zagend innerlich in seinem Sinn, ungeschlacht, wenn er mit dumpfen Schritten durch die Welt geht – wer aber diesem Großen mit liebenden Augen nachsieht, merkt, daß er nur das Unkraut zu Boden tritt, alle Pflanzen, die der himmlische Vater gepflanzt hat, begießt er und pflegt ihrer und läßt sie alle ihres Herrn froh werden. Es ist Glaubenstrotz, wenn er alle äußerlichen Verbindungen hinwirft: „Ich vermag Ew. Kurfürstliche Gnaden viel mehr zu schützen, denn Ew. Gnaden mich schützen können“, und wenn er allen Gewalten zum Trotz durch Wittenberg hindurchfährt, ein gewaltiger Geist, der die falsche Frömmigkeit niederpredigt und allen gleißenden Schein entlarvt. Es ist Glaubenstrotz, wenn er eine ganze Weltanschauung heuchlerischer Frömmigkeit zerschlägt in einem Ton, den wir Modernen mit unseren gezähmten Sitten ihm verargen, der ihm besonders von der Seite verargt wird, die allen Grund hätte, über Beichtrat bescheidentlich und milde zu urteilen. Mir erscheint er, wie er in diesen Tagen einer nicht unverschuldeten Schmach, die aber doch mehr der Treue des Seelsorgers, nie und nimmer aber dem Höfling, dem Diplomaten und Schranzen zur Last gerechnet wird, in innerster Erschütterung sich vor seinem Herrn und Gott beugt. Es ist Glaubenstrotz, wenn er dem sterbenden Melanchthon, der da gerne der rabies der Theologen und der Not der Zeit der πανήγυρις und dem großen Jahrmarkt des Elends entrinnen möchte, zuruft: „Ich gebiete dir, daß du wieder genesest, denn unser Herr braucht dich noch auf Erden.“ Es ist endlich Glaubenstrotz, wenn er von seinem
Hermann von Bezzel: Luther und Augustin. Verlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1912, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Luther_und_Augustin.pdf/17&oldid=- (Version vom 9.10.2016)