verfallen; außer den wenigen, die den Namen in der Kirchengeschichte Bayerns kennen, werden wohl kaum noch etliche um ihn sich bekümmern. Und dann ging ich weiter ins Mittelfeld: von Edelmann, einst Mitglied der obersten Kirchenbehörde; wieder einige Schritte weiter: Stiller, erster Dekan und Stadtpfarrer und Mitglied der obersten Kirchenbehörde. Dann bog ich herum: Das Grab von Niethammer und ganz am Ende, eingesunken: Friedr. von Schmidt, Kabinetsprediger der Königin Karoline; und in der Mitte ein großes Feld, in dem alle barmherzigen Schwestern liegen mit der ersten General-Oberin, welche bekanntermaßen die Schwestern nach Bayern brachte unter dem Bischof Wittmann. Ein Grab wie das andere, ein Kreuz wie das andere, und auf einem Kreuz stund: „Laßt alles Andere, nur das Eine ist not: Denk an deine Seele, denk an Zeit und Tod!“
Das war auch eine Seelsorge, die hier geübt wurde, eine Seelsorge an einem Menschen, der da auch weiß, daß sein Leben ein Ziel hat und er davon muß. Das soll die Seelsorge sein, – darum schaltete ich dies ein – die von jeder Diakonisse ausgeht auf ihre Umgebung: „eine Sterbende und siehe, wir leben!“ Es ist mir ja manchmal ein Geheimnis, was eigentlich das Anziehende von der und jener Persönlichkeit war, das mir erst bei ihrem Tode entgegen trat. Ob nicht überhaupt die ganze Einfriedung des Lebens, eine gewisse, wenn auch nicht innere, so doch äußere Weltferne, eine gewisse Abgeschlossenheit diesen anziehenden Eindruck hervorruft? Denken auch unsere Schwestern daran, welch ein Kapital von Seelsorge-Gaben und Kräften der Herr in ihr Leben hineingesenkt hat? Wenn eine Diakonisse, in ihrem äußeren Wesen rein und wahr, auf diese zerrissene, zerklüftete, suchende Zeit Einfluß hat, soll ihr das nicht eine Mahnung sein, daß indem sie jenes Wort der armen Nonne, das auf dem Kreuz stand, auffaßt und ins Herz nimmt, sie eine große Kraft der Seelsorge für viele besitzt? Alle Seelsorge muß von der Persönlichkeit ausgehen.
Wie wird man eine Persönlichkeit, damit man seelsorgerlich wirken kann im Sinne des Erzhirten Jesu, der da gesagt hat: „Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen“, von dem und zu dem jedes gute Werk hingeht? Wie wird man eine Persönlichkeit? Dieses Geheimnis kennen, heißt eine Welt von Eroberungskräften in sich schließen, heißt der Welt aufs Wirksamste dienen. Denn es ist nicht an dem, daß die Welt sich Persönlichkeiten verschlösse, aber von Personen hebt sie sich ab. Es wird nie dahin kommen, daß die Gott entfremdete
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)