die Seelsorge lauer getrieben als im eignen Haus. Der Diener der Kirche, der höchst eifrig draußen kämpft, ringt, ist ein stiller Mann seiner Frau und seinen Kindern gegenüber. Die Seelsorge, die nach außen sehr treu ihre Wege geht, hört vor der Türe des guten Zimmers auf. Der Apostel weiß, warum er dem Bischof gehorsame Kinder und eine heilige Behausung wünscht. Und wenn wir mit einem jetzt Heimgegangenen fragen, warum hat unsre Seelsorge so wenig Erfolg, so geben wir die Antwort, weil sie oft eine Unwahrheit war. Mit verdoppeltem Eifer sind wir gegen fremde Sünden angegangen, weil wir im eignen Haus zu reden uns nicht trauten. Und wie es bei uns Geistlichen so traurig ist, daß selten ein Bruder des Nächsten Seelsorger ist, daß es wie ein stillschweigender Konsens ist: wir wollen einander unsere Seele verkümmern und verderben und verlieren lassen, so fehlt es auch oft unter den Diakonissen an der mittelbaren Seelsorge untereinander und es soll doch nicht so sein. Der Herr gebe Gnade, daß, was in den Tagen darüber geredet wird, nicht ganz umsonst sei. Er erwecke in diesen Tagen wieder bei uns allen die große, ernste Frage und die Bitte: errette meine Einsame von den Hunden, meine Seele von den wilden Tieren! Amen.
Gebet: | O heiliger Geist, der du mit dem Ernst deiner Heiligkeit durch die Gemeinde gehst, ehe sie vergeht, und in die Angst der Zeit dein unbeugsames Wort sprichst, damit die Zeit innerlich geheiligt wird, beuge uns unter den Ernst deiner Rede, handle mit uns im Eifer deiner Wahrheit, hole uns zurecht, ehe wir vergehen, und schenke deinem Volk und diesem Hause Buße, Glauben und willige Bekehrung. Laß die Zeit der ersten Liebe noch nicht und nicht vergehen, mehre die Gewißheit, daß, wenn wir an unsrer Seele Leben denken, wir dich und das Deine ehren. Gehe vernichtend und verneuend durch alle unsre Werke, zerbrich im Sturm der Buße, das Dürre entführe in heiligem Feuer, das Kraftlose erwecke und segne das Schwache und hilf allenthalben aus aller Not um deswillen, der für uns gelitten und den Tod überwunden hat, um Jesu Christi, unseres Herrn willen. Amen. Der Friede des Herrn sei mit uns jetzt und allezeit und einst in der Ewigkeit. |
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)