daß man auch in den schwersten Tagen über Lasten zu klagen verlernt.
Und dann ein Viertes: Der Erdenberuf sagt mir: Wenn ich dir zu schwer bin, so denke daran, ich bin nur eine Behausung für einen ewigen Gedanken und nur die Form für eine ewige Pflicht. Die Form und die Behausung zerfällt, aber, was beide erfüllt, bleibt in Ewigkeit. Es ist das für mich das Tröstende im Erdenberuf, daß er über sich selbst hinausweist und sagt: Nur eine kurze Weile trage mich, führe mich, fülle mich aus, wie es recht ist, und um den Abend kommt der Herr des Weinbergs und dann ist es vorbei. Trösten wir uns mit der Gewißheit, daß, wer seine Kräfte und Gaben auf seinen Beruf sammelt und in seinem Beruf Jesum Christum heiligt, über ein Kleines das Wort von dem Feierabend hört, in dem nicht die äußeren Hüllen die Hauptsache sind, sondern die Gabe, mit der man sie trug, und die Kraft, mit der man sie erfüllte.
Ich ziehe kurze Sätze: 1. Hauptsatz: Jeder Mensch hat einen Erdenberuf, aber nicht jeder kennt ihn und will ihn kennen. Auch der ärmste Blöde, Kranke und Sieche hat von Gott seinen Erdenberuf bekommen. Indem er ganz das ist, wozu ihn Gott gemacht hat, und ganz das trägt, was ihm zu tragen Gott verordnet hat, ist er ein ganzer Mann und darum ein ganzer Christ.
2. Jeder Erdenberuf hat seine ganz bestimmte Begrenzung und die Weisung: Gehe in die Tiefe, fahre auf die Höhe, aber laß das, was neben liegt. Jeder irdische Beruf hat seine Begrenzung. Je mehr wir sie achten, desto größere Treue kommt der Hauptsache zu, und in dieser Hauptsache liegt dann Leben und Seligkeit.
3. Jeder irdische Beruf weist in die Kraft hinein, aus der heraus er getan werden muß. Halten wir den Beruf, den uns Gott geschenkt hat, hoch und in Ehren, nehmen wir diesen Erdenberuf aus Seiner Hand, streben wir nie selbst auch in Gedanken nicht, seine Aenderung an: Wenn Gott solche Aenderung will, dann zeigt Er sie und gibt sie in Seiner Weise und zu Seiner Zeit. Reden wir nicht in ungesunder Ekstase von einer Gewißheit gerade dieses Berufs, sondern nur von der Gewißheit, daß Er uns ruft.
Alles das, was man tut um einen bestimmten Beruf zu sichern, ist, wie unsre Väter sagten, eine Schmähung des Schöpfers und seiner Regierung. Gott kann ja in irgend einer Form etwas anderes schaffen und verlangt, daß wir dann ebenso treu sein sollen, wie wir hätten vorher sein müssen. Es ist nur das unser Trost: Keine Heiligung außer dem Berufswerk. Die kath. Kirche sieht leicht die Heiligung außer dem
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)