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Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/29

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Die wahre Selbstverleugnung geht uns vielleicht erst später recht auf, sie ist schweigsamer Natur. Man hat Sorge um das schnell fortlaufende Wort und ist in solcher Bekümmernis darüber, ob es nicht weit zu wenig oder weit zu viel sage.

 Die Selbstverleugnung hat auch das an sich, daß sie nicht scheint. Glaube, der Berge versetzt, Arbeitskraft, die Großes ausführt, Selbstbeherrschung, die den Leib brennen läßt, Selbstverzicht, der seine Gaben den Armen gibt, alles das glänzt und gleißt. Aber die Selbstverleugnung tut das Beste ihrer Werke heimlich und bleibt in der Stille und sorgt weit mehr dafür, daß sie nicht gesehen wird, als daß es ihr am Herzen liegt, vor den Augen der Leute zu stehen. Selbstverleugnung hat nur den einen Gedanken, daß sie den Ort finde, wo sie zu Jesu hinflüchte, mit Ihm Zwiesprache halte und von Ihm Stärkung, Tröstung und neuen Mut empfange. Selbstverleugnung will auf dieser Erde nichts mehr und nichts anderes, denn daß sie ihrem Herrn ähnlich werde und Ihm entgegenkomme zur Auferstehung. Selbstbeherrschung ist im letzten Grunde Weltseligkeit, Selbstverleugnung ist die Kraft des Heimwehs zu ihm. Das ist also der Beruf, zu dem Er uns als zu der einen Ihm gefälligen Form des Dankes gerufen hat, das ist der Beruf, in dem wir uns täglich erzeigen und bewähren sollen und wollen: Die einfache, schlichte Arbeit des Kreuzes.

 Ich meine, wenn wir uns dazu gürten würden, ehe es ein anderer an uns besorgt, und wenn wir uns darauf rüsten könnten, ehe Er uns mit Gewalt dazu zwingt, hätten wir eine große Aufgabe in Seinem Dienste erfüllt. Nur von diesem Gesichtspunkt aus sehe ich die Diakonissensache als eine Sturmwehr gegen alle Fluten an, die über Nacht das ganze Kirchenfeld verheeren können; an den Mauern der Selbstverleugnung bricht sich die Welt. Was wäre es für eine große Hilfe in aller Not, wenn diese 35 sich zusammenschlössen zu einer Kraftentfaltung, die unter dem Kreuze erwacht und zu dem Kreuze will, zu einer Kraftentfaltung in der Hingabe all ihres Willens an den Herrn und Meister. Es wären dann ganz sichere, in Ihm geheiligte und Ihm geheiligte Persönlichkeiten, und wo sich solch eine Kraft der Nachfolge in einem Menschen anhäuft, geht sie als stärkende, belebende Gewalt auf andere über. Das kann kein Mensch geben, dazu kann man kaum recht anregen, wer aber in diesen Tagen in der Stille lebt und in die Stille geht und den Mut hat, von der Ewigkeit her sein Leben zu betrachten, wer da in die Wahl gestellt, ob er hinfort ihm selbst lebe oder dem, der für ihn gestorben und auferstanden ist, mit lauterem Ernste sagen kann: Du, Herr Jesu, Du alleine, sollst mein Ein und Alles sein, dieselbige Seele hat Kraft gewonnen