nicht Glauben fand, die 2. um so mehr von einer armen, betrogenen Welt erfaßt, ins Herz genommen und erfahren würde, daß man endlich einmal sehe, so gewiß es reine Liebe ist, die den Ruf vom Kreuz hat kommen lassen, so gewiß ist es reine Liebe, die uns einst ins Dasein rief. Aber mit meinem Katechismus sage ich und in meinem Leben erfahre ich’s und aus meinem Leben bestätige ich’s: Der hl. Geist hat mich durchs Evangelium berufen. Die Berufung, welche mich vom Karfreitag zum 6. Schöpfungstag und vom 6. Schöpfungstag zum Karfreitag führt, ist die des hl. Geistes. Dieser hl. Geist sah es in mir, wie schwer und hart, wie groß und bitter die Arbeit meines Lebens und Glückes sei. Er weiß es, daß ein Menschenleben aufs Glück angelegt ist und daß das Glück und das Leben einander suchen, daß aber bei so vielen Menschen das Leben am Glück und dieses an jenem vorübergeht. Er sieht es, wie so viele tausend Menschen das Glück da suchen, wo es niemals weilen kann noch weilen darf, und wie das Glück einsame Wege zieht, auf denen ihm nur wenige begegnen. Da macht Er sich auf, der getreue Tröster, der es nicht tragen kann, daß bei so reichen Gaben die Heimat verlassen und vereinsamt und bei so reichen Tischen die Gäste ausbleiben sollen; macht sich auf und ruft in die Welt das Evangelium und durch das Evangelium: „Kommt, es ist alles bereit“. Kommt, es ist alles bereit, so wollen wir in dieser Stunde dem Ruf des hl. Geistes, des getreuen Freundes unsres Lebens, der sich, ehe wirs wußten, mit unserm seufzenden, sehnenden, verlangenden Geiste vermählte und verband, folgen. Wir wollen daran denken, daß, ehe wir uns regen und ein Wort sagen und uns selber erfassen konnten, dem seufzenden Menschengeist, der geängstigten Kreatürlichkeit in uns, dem Sehnen, das immerdar währt, ein hl. Geist geantwortet hat: „Komm, ich will dich zu Jesu und durch Jesum zu dem Vater führen!“ Während so viele Tausende über ein verfehltes Glück, über ein verlorenes Paradies klagen und träumen, läßt Er die ersten goldnen Säume eines ewigen Tages, der allein wert ist, gelebt zu werden, und einer ewigen Freude, die allein verdient genannt zu sein, und eines ewigen Reichtums, der allein die Gewähr voller Befriedigung in sich schließt, aufdämmern und aufleuchten. Es ist eine große, unverdiente und darum nie zu vergessende Treue, daß der hl. Geist mich durchs Evangelium berufen. Wie kann ich Ihm das danken? Ich meine, statt daß ich allerlei Fragen über Persönlichkeit und Art, über die Faßbarkeit und Greifbarkeit des hl. Geistes anstelle, will ich mich dankend einstellen und Ihm sagen: Du sollst mein Glück begründen, das ich brauche, zu dem ich geschaffen bin, in das
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)