die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab.“ Dem Mißtrauen opfert Er das Kind Seines Vertrauens und dem Zweifel der Seele gibt Er Sein Bestes hin, damit es den Zweifel entsühne und beende, denn das sind die Aufgaben dessen, der aus ewiger Treue in diese Welt des zerstörten Vertrauenslebens hereingekommen, daß Er das Leid, welches diese Zerstörung mit sich bringt und die Schuld, die in dieser Zerstörung liegt, aus Gnaden trägt und durch ein über alle Zweifel erhabenes Opferleben beweist, wie es Gott allein um unsre Seele zu tun sei, um sonst nichts. Dazu seid ihr berufen: ihr, denen die Berufung natürlicherweise vom Feinde verargt und in Zweifel gezogen wird, werdet jetzt unter das Kreuz gestellt, da die Gottestreue sich entäußert bis zum Tod und sollt jetzt auf Den blicken lernen, zu dem der Gedanke des Friedens geworden ist. Ihr seid berufen, damit ihr ja nicht zweifelt, sondern fest glaubt, Gott habe an euch Seine Liebe gewagt und euch zu dem hinbefohlen, der da Seine Liebe im Leid erwies und durch eure Schuld Seine Liebe erweckte und eure Schuld durch Seine Liebe zahlte. Das ist das zweite, was wir unter Berufung verstehen.
Die der Feind von Gottes Treue wegrief, die ruft jetzt der Heiland mit ausgebreiteten Armen zu sich: Ich will euch alle zu mir und durch mich wieder zum Vater ziehen; zu denen, die unter einem fremden Joch sich ängsten, die fortliefen und hernach lange ausblieben, wendet Er sich und spricht: Kommt her zu mir alle! Auch diese Berufung ist nicht heimlich geschehen; es ist vor aller Augen offenbar; das Kreuz ist in der Welt errichtet; die Botschaft des Kreuzes, den einen bekannt, von den andern geahnt, allen nötig, geht durch alle Lande, und überall heißt es: Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget! Das ist die zweite Berufung: für uns die Folge, für Ihn eine Begleiterscheinung der Schöpfung, denn bei Ihm ist Schöpfung wie Erlösung in Einer Linie. Er hat, weil Er am Tage der Schöpfung den Zerstörer sah, zugleich die Waffe gegen den Zerstörer erfunden, wenn wir dieses Wort fest ins Herz nehmen, das jedem Gegenruf gegen Gottes Treue mit einem Gnadenruf antwortet. Schaut auf den, der für euch gelitten hat. Und wenn wir dabei stehen bleiben, daß in aller Not Leibes und der Seele, Gutes und Ehre, immer wieder der neue Ruf erschallt: „Ihr seid teuer erkauft, ihr seid erlöst,“ dann wird das Unglück aus unserm Herzen schwinden und das Leid aus unsrer Seele weichen und wir wissen endlich wieder, wo wir hingehören. Wir wissen, Er hat uns berufen: dabei wollen wir für diesen Morgen bleiben; wir wollen uns sagen, daß ichs kurz zusammen fasse, dem Schreck der Ungewißheit, von wem
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)