Hoherpriester ohne Tadel, |
In dem Herrn Christo geliebte Schwestern! Es ist immerhin eine Gnadenfrist, wenn der Herr uns aus den Tälern, von denen wir sehnlich zu den Bergen emporblicken, auf solche Höhen führt, wie der heutige Tag eine in eurem Leben bezeichnen soll. Schwachheit, Angst und Verdruß, die Not der Lern- und Probejahre, Enttäuschungen und Enttäuschtsein, das liegt in dieser Weihestunde zu euren Füßen und wie ein kurzer Traum hinter euch. Er hat euch eine freundliche Stunde der Gnade geschenkt, in der voraufgehenden Woche noch einmal euch in seine Treue und ihre Größe Einblick tun lassen, und indem ihr heute auf einer von ihm gegebenen und gegönnten Höhe weilt, sprecht ihr, das weiß und glaube ich, aus einem Munde: „Hier ist gut sein, hier laßt uns Hütten bauen!“ Dazu tut sich der Himmel auf über denen, die Jesum suchen. Längst vergangen geglaubte Feierstunden und feiernde Christen treten zu euch im Geist, vollendete Väter, geliebte Christen, Heilige die ihr einst sahet und dann missen mußtet, alle die kommen heute segnend, glückwünschend im Geist zu euch. – Aber ihr wißt es so gut wie wir, daß die Feierstunden nicht den eigentlichen Inhalt des Lebens schon bieten und bilden können und dürfen und daß die Seele in eine falsche Ruhe käme, wenn ihr solche Feierstunden beständig blieben. Jesus treibt von Berg zu Tal zu gehen. Der Meister hat seine Jünger wieder an
Hermann von Bezzel: Einsegnungs-Unterricht 1909. , Neuendettelsau 1910, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Einsegnungs-Unterricht_1909.pdf/127&oldid=- (Version vom 1.8.2018)