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Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/128

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gesehen, aber sie hat vergessen, daß die Wurzeln des Christentums in die Tiefe gehen. Die Arbeit, welche nur in die Weite geht, schwächt und entnervt. Sie ist über all ihren Erfolgen trunken geworden und so ist das Wort vom Kreuz ihr eine Mär, welche ihr nimmer zusagt. Daß diese beglückte Welt einen Kreuzesgott ehre und daß dieses Herz am Kreuze Frieden finden soll und daß es nicht anders als durchs Sterben gehe, das war der Gemeinde je länger, je mehr verhüllt.

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 Ach, daß wir auch für uns die Bußglocke möchten läuten hören! Wir sprechen wohl von dem Reichtum der Erkenntnis, von vielleicht noch geehrten Namen, von unserer geordneten Art. Ach, ob es nicht Formen sind, aus denen der Geist längst entwichen ist? Ob nicht die große geistige Lauheit unter uns so überhand genommen hat, daß der Herr, unser Heiland, von uns gewichen ist? Nur noch einmal ein befreiender Lufthauch, daß er noch einmal anpochen wollte um die Mitternacht an die Türe, die uns von der Ewigkeit scheidet; denn das ist ja das einzige noch, was uns von der Ewigkeit scheidet, dieses bald in Asche und Lohe vergehende armselige Gerüst, von dem Paulus sagt: „Dieser Welt Gerüste fällt bald dahin.“ (1. Kor. 7, 31) Daß er noch einmal hintreten möchte, anpochen mit dem Ernste der Ewigkeit: „Siehe, vor der Türe, die Zeit und Ewigkeit scheidet, stehe ich“ – ein Moment und ich erbreche die Türe. Was wird es dann sein, das du bereitest hast? Noch eine kurze Zeit und die Türe, welche Zeit und Ewigkeit scheidet, ist aufgetan und die Zeit rückt in die Ewigkeit hinein. Nur noch eine kurze Zeit und unser ganzes Leben steht vor