der Sünde. – Gedankenarme Eltern schieben die Taufe ihrer Kinder sehr lange hinaus, weil sie von der Taufe sehr gering oder gar nichts halten und sie als ein freundliches Familienfest ansehen, bei dem eben das Kind die Hauptsache ist. Aber das Kind ist gar nicht die Hauptsache, sondern die Hauptsache und das Haupt in der Taufe ist Der, zu Dem wir in dem alten Taufliede beten, nicht als abergläubische Priester, sondern als glaubenstreue Herolde:
Hirte, nimm dies Schäflein an,
Haupt, mach es zu Deinem Gliede,
Himmelsweg, zeig ihm die Bahn,
Friedefürst, gib Du ihm Friede;
Weinstock, hilf, daß diese Rebe
Auch im Glauben Dich umgebe!
Was ist es doch Großes – die Welt lächelt darüber und die Aufgeklärten haben es ihren Spott –, daß ein hilfloses oder, wie die geistreichen Leute sagen, ein vernunftloses Kind in die Hände des ewigen Erbarmers gelegt wird! Man kann es nicht früh genug tun, daß über ihm der Segen ausgeströmt wird und ihm all seine Sünden erlassen seien. Am Tage deiner Taufe ist dir das ganze Sündenerbe von deinen Eltern, den Ureltern, von der ganzen menschlichen Herkunft her erlassen worden. Da sind neben die bösen Unkrautskeime wahre Lebensgnaden eingesenkt, ist in dich und in dein altes Ich das neue, heilige, selige Ich Jesu Christi, ist über das alte, unschöne, dunkle Bild deiner Menschlichkeit das schöne, selige, erlauchte Bild des neuen Menschen Jesu Christi gemalt worden. Am Tage deiner Taufe hat es geheißen: rein, frei, ledig und los. Und nun wandelt man in dieser Taufgnade. Die Taufgnade kann dir kein Teufel nehmen, aber ihren Segen nimmst du dir selbst. Die Taufgnade bleibt bei dem Menschen, ob er gleich höhnt, spottet, lästert. Die Taufgnade
Hermann von Bezzel: Der 3. Glaubensartikel. , Neuendettelsau 1927, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_3._Glaubensartikel.pdf/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)