Außerdem stand in unserem „Familienfreund“ nichts darüber, wie man weiße Hosen zu waschen habe.
Tag um Tag nahm die Hitze zu. Auf der Straße schmolz man hin wie Wachs. Das Asphalt war aufgeweicht, und die Straßen glichen Morästen. Die Welt draußen war eine Hölle.
Dinge, die man hart liebte, wurden weich, schmolzen; was weich sein sollte, wurde hart, dorrte aus. Butter wurde zu Öl und lief einem vom Brot in den Ärmel. Brötchen, die man, weiß Gott, ohne ein Feinschmecker und Genußmensch zu sein, gerne weich aß, wurden steinhart und erinnerten an Hammerköpfe aus der Steinzeit, wie man sie in Museen findet. In den Flaschen brodelte der Wein und das Bier. Aus der Wasserleitung lief glühendes Blei, die Rohre verzehrten sich in der Glut. Die Metallplomben schmolzen in den Zähnen. Man sprach unter dem Einfluß der Hitze unwillkürlich einen Kongodialekt. Zigarren und Zigaretten rauchten sich selbst zugrunde.
Ich lag in drei Eisschränke verteilt, die Beine hatte ich in je einem und den Oberkörper und Kopf in einem anderen, großen Eisschrank (mit mir zusammen waren noch Würste, Suppenknochen, Käse und ähnliches) und litt dennoch unter der höllischen Hitze. Ich verbrauchte einen Rhonegletscher an Eis. Um mich schnurrten weißglühende Ventilatoren.
Wie ein lähmendes Band legte sich die Glut um mein Denken; wenn ich leise mit dem Kopf wackelte, spürte ich das Gehirn plätschern. Alles, trotz der drei Eisschränke!
Ich mußte mein Gehirn beschäftigen, mußte mich für irgend etwas interessieren, wenn ich nicht im Stumpfsinn
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/201&oldid=- (Version vom 1.8.2018)