gelang ihr Meisterstück, auf dem dreigestrichenen f zu trillern und das viergestrichene c zu singen. Sie beschämte mit dieser Höhe die italienische Sängerin Lucrezia Agujari und den Eiffelturm. Die Nachbarn waren der Ansicht, der Foxterrier wäre mit dem Schwanz zwischen die Tür gekommen.
Halb vier schlug es am Nachmittag, als Julie Briendöpke köstlich frisiert und poliert, prangend im neuen Staat zur Haltestelle lief. Plötzlich zuckte ihr eine furchtbare Erkenntnis durch das Hirn. Sie hatte ihre Partie und die Tasche mit der Börse vergessen. Ohne Besinnung machte sie kehrt.
In Telemachsprüngen stürzte sie nach Hause. Mit schiefer Frisur kehrte sie zur Haltestelle zurück. Himmeldonnerkiel! Der Wagen war abgefahren. Seine Rückseite grinste die Ärmste aus der Ferne höhnisch an. Wetterleuchten eines Weinkrampfes zeigte sich auf ihren Zügen. Dabei begann es zu regnen. Sie war ohne Schirm. Den Pleureusen auf dem Hut war der Regen wenig nützlich, sie wuchsen nicht davon wie Blumen. Wirklich, ein böses Geschick wirkte gegen die Diva. Sie kauerte sich an ein Straßenbäumchen. Mit der nächsten Bahn würde sie um halb acht in die Residenzstadt kommen. Wenn sie sich sputete, würde noch alles werden. Aber ihr Optimismus stand auf schwachen Beinen.
Der nächste Wagen kam. Jäh, das linke Schienbein anstoßend, stieg Julie Briendöpke ein. Sie atmete ein wenig auf. Aber eine nervöse Angst vor neuem Mißgeschick quälte sie. Sie zupfte sich mit zitternden Händen die derangierte Frisur und die Toilette zurecht.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)