„Nehmen Sie doch diese Büste, sie ist an der Nase etwas lädiert, wir lassen sie Ihnen billiger,“ versuchte der junge Mann in kaufmännischer Weise. Die Büste stellte einen Trompeter-von-Säckingen-Kopf dar mit einem großen Barett.
„Ist das denn Beethoven? Ich suche doch eine Büste von Beethoven,“ meinte der Vater kleinlaut.
„Nehmen Sie vielleicht etwas wie Molke, den Schweiger, oder Genoveva oder einen Gnom mit Bemalung,“ fuhr der Jüngling geschäftseifrig fort.
Der Vater wußte zufällig, daß es Moltke hieß, mit t … mit t; sein Zutrauen zu dem jungen Mann schwand.
„Ich werde unsere Directrice, Fräulein Veranda Cohn holen,“ sagte der Jüngling plötzlich.
Eine dicke Dame in einer prall sitzenden Bluse kam, kokett mit dem Kopf wippend, herbei und fiel mit einem Riesenwortschwall und Gestikulationen über den Vater her.
Es dauerte keine fünf Minuten, da stand der Vater schon vor dem Warenhause Mayer sel. Witwe mit dem Turnvater Jahn in Gips im Arm, im seligen Glauben, endlich die Beethovenbüste gefunden zu haben. Die Ausführungen von Fräulein Veranda Cohn überzeugten ihn vollständig. Veranda Cohn hatte keinen Beethoven auf Lager, und der Jahn ging sowieso schlecht.
Der Vater stieg mit der Büste auf einen Straßenbahnwagen. Er mußte draußen auf der Plattform stehen, die ziemlich besetzt war. Er erregte Unwillen mit seiner Gipsbüste. Er machte einem feinen Herrn den schwarzen Paletot weiß. Man drängelte gegen ihn, er verlor den Halt und fiel aus dem Wagen. Der Turnvater ging
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)