„Papächen, Papächen, Mutti, Mutti!“ klang es jetzt wieder, aber deutlicher als zuerst, aus dem Park herüber, und plötzlich sprang aus dem Schatten der Bäume, wie ein junges Reh, ein mild-liebliches Mädchen von etwa achtzehn Jahren, mit Grübchen in den Wangen und mit einem weißen Hängekleide angetan. Sie stürmte in graziösen Sprüngen über den Rasen zur Terrasse. In der einen Hand schwang sie einen Strauß würziger Waldblumen, in der anderen hielt sie sorgsam ein mit Wasser gefülltes Einmachglas mit lebenden Kaulquappen.
Es war ein liebreizendes Bild voller Charme und natürlicher Grazie.
Die Eltern schauten sich gegenseitig bewundernd an. Der Mutter lief schleunigst eine Zähre über die Wange auf den Plüschmantel.
„Hier, Papächen, bringe ich dir liebe, kleine Kaulquappen für unser Aquarium,“ begrüßte das Mädchen stürmisch den Vater und stellte das Glas vor ihn hin. „Und dir, liebe Mutter, zu deiner Genesung diese Blumen.“ Sie legte der Gräfin den Strauß auf den Schoß und drückte ihr einen schallenden Kuß auf den Mund. Sie bekam von der Mutter, die noch ein Honigbrot gegessen hatte, ein wenig Klebriges an das Kinn. Aber was kümmert das, wenn sich Menschen lieb haben.
„Nun zugegriffen, du Wildfang. Du wirst Appetit haben nach dem Morgenspaziergang,“ meinte die Mutter sorgend. Das ließ sich Lillichen nicht zweimal sagen. Hei, wie lockte der würzige Kaffee, die goldgelbe Butter, die blutroten Wurstscheiben, die duftenden Scheiben frischen Brotes, süßer Honigseim, alles auf blitzblanken
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/062&oldid=- (Version vom 1.8.2018)