Sie war eingehüllt in einen roten Plüschmantel mit Pelzbesatz. über ihre Knie war ein Eisbärfell, was sonst im Salon vor dem Klavier lag, gebreitet.
Die linke Hand, deren bleiches Aussehen noch von den überstandenen Leiden kündete, streichelte den auf ihrem Knie ruhenden Kopf ihres Lieblings-Neufundländers Benno. Die feine, geäderte rechte Hand hielt ein Butterbrot mit Zervelatwurst.
Graf Eberhard Unstrut von Felsenhorst war eine herrliche Reckengestalt und stand da in seinem knapp sitzenden Reitanzug mit langen Stiefeln als der echte Sproß der von Felsenhorst.
„Hö, hö, hö hö,“ lachte er frisch und klar in den Morgen, daß es nur so von allen Seiten widerhallte.
Dann riß er plötzlich in tollem Übermut, in aller Sonnenfreude seine genesende Gattin aus dem Lehnstuhl und wirbelte sie laut jauchzend in der Luft herum. Sie verlor dabei einen mit Perlen bestickten Plüschpantoffel, den Kneifer und das Zervelatwurstbrot. Auch rutschte der rechte Strumpf herunter.
„Hö, hö, hö, hö,“ schrie der herkulische Graf und schleuderte die Gräfin wieder in den Lehnstuhl.
„O, du Lieber, Guter! Noch immer der Alte, Wilde! O, du mein Gemahl!“ stieß die Gräfin nach Atem ringend hervor.
„Man muß sich doch Bewegung machen, alte Schraube,“ brüllte der Graf und setzte sich wieder an den Frühstückstisch, um im unterbrochenen Frühstück fortzufahren.
Es war schon eine Pracht, diese beiden Menschen in ihrer Harmonie und Liebe, die sich durch die vielen Jahre der Ehe so fest erhalten hatte, zu sehen.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/060&oldid=- (Version vom 1.8.2018)