nicht.– Unglaube – Fanatismus - in diesen beiden Widersprüchen und Tollheiten theilt sich die Welt.– Könnte man sich die Gottbegeistrung, die man doch einmal erlebt hat, nur immer gegenwärtig erhalten; da aber nichts in uns fest steht, und nicht kann, entschwindet uns auch das Göttlichste immer wieder, – und wird auch Täuschung.
Grüßen Sie Herrn) v(on) Lüttichau, die Solgers, Baudissins, Hübners, Bendemanns, etc.! etc.!
Leben Sie wohl, werden Sie gesund, wenn Sie krank sind, und antworten Sie in einigen Zeilen, wenn es Ihnen möglich ist.
Ich verliehre mich in dem süßen Andenken Ihrer: ich würde wieder jung, wenn ich Sie noch einmal sehn, umarmen könnte.
Ich empfehle Sie, übergebe Sie allen himmlischen Mächten.
Potsdam, den 16t. | Ihr ganz eigner, ergebner, | |
Julius 1848. | L. Tieck. |
Der Ihnen dieses Blatt überbringt ist der Hofrath Teichmann[1], ein sehr wackrer Mann, der mir mit der edelsten Treue ganz ergeben ist: Sie werden ihn deswegen wohl freundlich aufnehmen, und ihm Ihr Vertrauen schenken.
Wie einsam ich mich fühle, kann ich Ihnen nicht ausdrücken. Was sind mir jezt noch die hiesigen Menschen? Alles hatte nur Bedeutung und Beziehung durch Henriette, das geliebteste, treuste, liebevollste und liebenswürdigste Wesen. Sie glauben nicht, welche Trauer, welchen Jammer das Alter mit sich führt. Von jener oft gepriesenen Weisheit, von jener sichern Ruhe und Leidenschaftslosigkeit habe ich noch nichts erfahren. Kann wohl sein, daß mein ganzes Leben Enthusiasmus, Begeistrung, Liebe war, selbst im Schmerz, und daß meine Natur sich nur in Leidenschaft verstehn kann. Ich mache die traurige Erfahrung, daß in der Gleichgültigkeit meines Alters, auch Glaube an Gott und Unsterblichkeit, Entzücken an Natur, Kunst und Poesie, alles seine Innigkeit verliehrt, seine Wirklichkeit, daß alles in manchen Stunden zum Schatten hinab sinkt. Ich habe wohl niemals gedacht, sondern immer nur empfunden, u(nd) alle meine Gedanken waren zugleich immer Gefühl, nur in diesem konnte ich denken, ich erlebte
- ↑ Hofrat Johann Valentin Teichmann war seit 1816 im Bureau der Generalintendanz der Königlichen Schauspiele in Berlin als Geheimer Sekretär tätig. Vgl. H. Holstein, Allgemeine deutsche Biographie XXXVII 542.
Herausgeber: Otto Fiebiger (1869–1946): Ludwig Tieck und Ida von Lüttichau in ihren Briefen. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1937, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft32VereinGeschichteDresden1937.pdf/40&oldid=- (Version vom 23.11.2023)