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Seite:Heft25VereinGeschichteDresden1918.djvu/191

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Tage mit unermüdlichem Eifer, fertigte auch Studien nach der Natur an und machte in der Kunst schnelle und sehr erfreuliche Fortschritte. Als sie erfuhr, daß ihr Verlobter, ein angesehener französischer Arzt, in einem Lazarett dem Fieber zum Opfer gefallen sei, erfaßte sie ein tiefer Trübsinn, dem sie erst entrissen wurde, als sie mit elterlicher Erlaubnis eine Freundin, die im Juni 1810 nach Dresden reiste, begleiten durfte.

Im Besitz verschiedener Empfehlungsschreiben wurde es L. S. nicht schwer, mit angesehenen Künstlern unserer Stadt wie Kaspar David Friedrich, Kersting u. a. in Verbindung zu treten. Der bekannte Professor Vogel von Vogelstein erklärte sich gern bereit, die angehende Künstlerin unentgeltlich im Malen zu unterrichten.

Im Sommer 1810 waren nähere Thüringer Freunde von L. S. in Dresden eingetroffen, um hier einige angenehme Wochen zu verleben. Zu ihnen gehörte der Jenaer Buchhändler Frommann, in dessen Hause die Malerin viel verkehrte und dort manche hervorragende Persönlichkeit kennengelernt hatte. Bei ihm fanden sich jetzt auch in Dresden die Freunde gewöhnlich abends zusammen. Meist hatten sie sich schon vormittags auf der Galerie getroffen, die sich damals im Stallgebäude an der Augustusstraße befand und wo L. S. täglich malte. Eines Morgens am Anfange der zweiten Septemberhälfte teilte Frommann seinen ihn erwartenden Heimatgenossen hocherfreut mit, daß Goethe, aus dem Bade zurückkehrend, nach Weimar über Dresden reisen und einige Tage sich hier aufhalten werde. Zu seiner neben L. S. malenden Schwägerin sagte Frommann: „Er wird kommen ! Ich werde ihn einladen, und gewiß wird er, wie früher in Jena, die Abende bei mir zubringen, und meine Freunde werden das Glück haben, ihn in meinem Hause zu begrüßen, ihn kennen zu lernen.“

Über ihr erstes Zusammentreffen mit dem Dichterfürsten hat L. S. nach Uhde folgende Aufzeichnungen hinterlassen: Als Goethe auf der Galerie erschien, flogen ihm alle entgegen. Ich blieb verdutzt allein zurück und flüchtete mich in eine Fenstervertiefung. Hier hörte ich, wie Goethe näherkam und an meiner Staffelei stehenblieb. „Das ist ja eine allerliebste Arbeit, diese heilige Cäcilia nach Carlo Dolce!“ hörte ich ihn sagen; „wer hat sie gemacht?“ Man nannte ihm meinen Namen. Als er ihn erfahren hatte, schaute er um die Ecke und sah mich in meinem Versteck stehen. Ich fühlte das Blut in meine Wangen steigen, als er mir liebreich die Hand bot. In väterlich wohlwollendem Tone drückte er seine Freude aus, mir hier zu begegnen und ein Talent, von welchem er früher nie etwas gewußt, an mir zu finden, „Wo wohnen Sie, mein Kind?“ fragte er weiter. „In der Ostra-Allee neben dem Botanischen Garten“,[1] erwiderte ich. „Da werde ich Sie besuchen; wir wollen zusammen


  1. Das war eine irrtümliche Angabe, da damals der erste Botanische Garten Dresdens überhaupt noch garnicht bestand, vielmehr erst 1819 angelegt wurde. Die Malerin hätte sagen müssen: „neben der Herzogin Garten“, dessen Anlage in den Jahren 1591 und 1592 für die Herzogin Sophie erfolgte, von dem aber seit dem Herbst 1916 nur wenig mehr vorhanden ist. Auf seinem Gebiete soll nach Beendigung des Weltrieges ein Neubau für die Kgl. naturwissenschaftlichen Sammlungen errichtet werden.