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Seite:Heft03VereinGeschichteDresden1880.pdf/107

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zur Aufnahme erkrankter und verwundeter Soldaten eingerichtet worden waren, sich als zureichend erwiesen.[1]

Fast den ganzen Juni hindurch blieb es in Plauen verhältnismäßig ruhig; erst gegen Ende des Monats wurde es hier wieder kriegerisch, indem eine starke Abtheilung polnischer Uhlanen mit vielen Offizieren hier und in Gittersee Quartier nahm. Besondere Ereignisse fielen wegen des noch herrschenden Waffenstillstandes in der nächsten Zeit nicht vor; man müßte denn die am 9. August stattfindende Vorfeier von Napoleons Geburtstage hierher zählen. Zur Begehung derselben hatten sich auf Reisewitz ein französischer General der Infanterie nebst 100 meist aus Westphalen stammenden Offizieren eingefunden, die zu Ehren des Kaisers ein Festmahl hielten, bei dem der Wein reichlich floß und Toaste auf Napoleon und seine Verbündeten unter Trompetengeschmetter und Paukenschall vielfach erklangen. Die Offiziere wurden schließlich so begeistert, daß die jüngeren unter ihnen, wie der Augenzeuge Baumann erzählt, zuletzt über Tische und Bänke sprangen[2].

Noch immer herrschte ruhige Zeit, aber die stillen Friedenshoffnungen, denen man sich noch vielfach hingegeben, schwanden täglich mehr und fanden zuletzt ein jähes Ende. Am 23. August, einem Montage, ertönte - es war noch in der Morgendämmerung - plötzlich Trommelwirbel in Plauen, und die hier befindlichen Polen geriethen in lebhafte Bewegung. Mantelsäcke und Tornister wurden eiligst gepackt, das Frühstück verschlungen und alles kampfbereit gemacht. 5 Stunden standen die zusammengerufenen Soldaten vor dem Dorfe, ohne daß etwas Verdächtiges sich zeigte. Es war nur ein blinder Lärm. Die Bewohner Plauens athmeten leichter auf; die Soldaten kehrten wieder in ihre Quartiere zurück, und die Offiziere thaten sich über Mittag auf Reisewitz gütlich. Gegen 6 Uhr abends ertönten plötzlich 3 Signalschüsse, und die noch immer in dem genannten Vergnügungslocale weilenden Offiziere eilen zum Hause hinaus, um zu sehen, was dies bedeute. Schnell sind sie aber wieder zurück und werfen sich auf die Pferde, denn die Retirade begann. „Nie habe ich etwas Aehnliches gesehen“, erzählt Baumann. „Zschakos, Mützen, Hüte gingen verloren. Hier purzelte einer vom Pferde; dort ereilte ein anderer den schnellen Leiterwagen, um im Fluge ihn zu besteigen. Gesattelte und ungesattelte Pferde irrten herrenlos einher; manche folgten im Instinkt dem flüchtigen Zuge, manche vergnügten sich aber auch an der fetten Weide. In Coschütz drangen die flüchtigen Kosaken zuerst ein, bald aber waren sie auch in Plauen“[3].

Wo kamen aber so plötzlich die russischen Kosaken her? Zur Beantwortung dieser Frage holen wir etwas weiter aus. Bekanntlich hatte sich nach Ablauf des Waffenstillstandes Oesterreich auf die Seite der Verbündeten gestellt und die Bildung der sog. Südarmee veranlaßt,

  1. Aster, S. 64.
  2. Baumann, S. 59.
  3. Ebenda, S. 62-64