Nachmittags Sitzung der Sektion, die sehr lebhaft gewesen zu sein scheint, wie Fritz, der dort war, erzählt. Das Ehepaar Holtz verfolgt offenbar ehrgeizige Pläne u. scheint sich dazu mit Herrn Venzmer zusammengetan zu haben. Sie haben eine „Verfügung“ erwirkt, nach welcher die Sektion keinen anderen Schriftführer haben darf als die Wirkungsgruppe des Kulturbundes. Dieser ist Herr Neumann – Wustrow. Fritz hat daraufhin sehr erleichtert seinen Posten als Schriftführer der Sektion zur Verfügung gestellt. Herr Holtz will außerdem den Kunstkaten wieder aufgeben, da er angeblich Aussicht hat, die Mühle von Niemann als Ausstellungsraum einzurichten. Es mag sein, daß ihm das von irgend einer Seite versprochen worden ist, aber bis zur Ausführung ist ein weiter Weg. Es bedarf zur Herrichtung dieses sehr baufälligen Dinges sehr viel Material u. ich kann mir schwer denken, daß dieses zur Verfügung gestellt wird. Außerdem gehört die Mühle Dernburg. So erklärt sich wohl das Interesse, daß man plötzlich für Frau D. hat, die sich momentan hier aufhält. Frau D. war gestern bei Martha u. sofort danach erschien der Herr Kurdirektor Karsten u. fragte, was Frau D. gewollt hätte. Dieses Interesse war sehr auffällig, erklärt sich aber nun. Was Herr Holtz sonst noch im Schilde führt ist noch nicht zu erkennen, doch bestärkt mich all dies in meinem Entschluß, mich künftig von allen Sachen des Kulturbundes zurückzuziehen. Ich werde das um so mehr tun, da auch Koch-Gotha, wie Fritz erzählt, dasselbe tun will. Dieser war in der Sitzung u. soll überaus niedergeschlagen gewesen sein. Er hat die Absicht gehabt, seine Zeichnungen, die momentan im Kunstkaten ausgestellt sind sofort abzuhängen, man hat ihn überreden müssen, dies nicht zu tun. Der Grund dazu ist, daß er eine Verwarnung erhalten hat wegen unvorsichtiger Aeußerungen über die Russen. Ich möchte gern wissen, was da vorgefallen ist u. werde wohl noch Näheres erfahren. – Es zeigt das wieder, wie vorsichtig man sein muß u. ich fürchte fast, daß auch ich damit rechnen muß, daß meine Sache noch irgend ein Nachspiel haben wird. Man ist keinen Moment sicher.
Die Kriminalpolizei wütet immer noch im Ort. Unser Nachbar Möller hat 3000,– M. zahlen müssen. Heute war der Bäcker Hagedorn dran, der ebenfalls in hohe Strafe genommen wurde, wobei Herr Karsten anscheinend eine Rolle gespielt hat, zusammen mit seiner Freundin Sachse. Auch mehrere Fischer sind reingelegt worden. Der ganze Ort ist in Angst. Herr Brüning von der Defa, der hier als Sommergast war, ist flüchtig u. wird von der Kriminalpolizei gesucht, doch wird er sich wohl schon nach dem Westen in Sicherheit gehracht haben. Er wollte sich vor seiner Abreise von Fritz Geld leihen, das dieser ihm auch sicher gegeben hätte, wenn wir nicht gerade in diesem Augenblick die Strafe hätten zahlen müssen. So hat er, wie ich höre, Herrn Karsten angepumpt, der sein Geld wohl nie wiedersehen wird.
Fritz hat die Schwester von Herrn Dr. Wolter, die
Hans Brass: TBHB 1947-08-01. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-08-01_002.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2025)