Bartolomäus aus Ludwigslust, ein Gebrauchsgraphiker, lernte ich kennen, der mir wohlgesinnt ist.
Abends besuchte uns Frau Beichler u. erzählte interessant von Düsseldorf. Zwischendurch kam nochmals Sandberg mit der Sekretärin von Becher, da er die Fotos noch abholen mußte, die am Nachmittage noch nicht fertig gewesen waren. S. erzählte mir übrigens auch, daß ein Teil der Hetze gegen mich hier im Ort tatsächlich von Herrn v. Achenbach ausgeht, der mich bei Becher nach Möglichkeit u. mit Erfolg herabzusetzen sucht. Die Freundschaft zwischen Herrn v. A. und Matern scheint hingegen abgekühlt zu sein, wenigstens behauptet Sandberg, daß Matern jetzt unbedingt eine Ausstellung meiner Bilder in Rostock haben will.
Ein Oberspielleiter aus Halle mit seiner Frau u. seinem etwa 16jährigen Sohn, der in Halle, Burg Gibichenstein Kunstbeflissener u. angehender Maler ist, wünschten sich, heute Nachmittag mit mir Kaffee zu trinken, wozu sie den ausgezeichneten Kaffee selbst mitbrachten. Es waren überaus gutmütig, wenn auch etwas kleinbürgerliche Leute, besonders die Frau, die eine unmögliche Frisur hatte u. am Arm gewaltigen Silberschmuck trug, für ihre schmächtige Figur viel zu schwer. Auch der Mann trug an den Fingern beider Hände allzuviele Ringe. Dennoch entpuppte sich dieses Ehepaar als sehr gutmütig u. freundlich. Der Sohn sollte wohl irgendwie von mir profitieren. Martha hatte, ohne daß ich es wußte, noch vier andere junge Leute von etwa 18 Jahren dazu aufgefordert. Ich zeigte dann allen meine Bilder u. es entwickelte sich infolge der sehr verständigen Fragen des einen der jungen Leute ein langer Lehrvortrag von mir, der schließlich in der BuStu. in meiner Ausstellung seine Fortsetzung u. den Abschluß fand. Die jungen Leute standen mit Ausnahme des jungen Malstudenten u. eines langen, hochintelligenten Juden namens Bloch meiner Malerei zunächst völlig verständnislos gegenüber, jedoch scheint es mir vollkommen gelungen zu sein, ihre Seelen aufzuschließen u. empfänglich zu machen; jedenfalls haben sie sich nachher Martha gegenüber mit Worten jugendlicher Begeisterung geäußert. Die Sache hat mir wirklich sehr viel Vergügen bereitet u. Sandberg scheint recht zu haben, daß ich die seltene Gabe besitze, anderen das Wesen der Kunst zu erschließen. – Der Mann aus Halle war so entzückt, daß er mich fragte, ob ich nicht nach dort kommen wolle, da auf Burg Gibichenstein ein Expressionist als Lehrer gesucht wird. – Nun, das ist Gerede, aber ich glaube, daß ich nach Halle lieber gehen würde als nach Berlin=Weißensee.
Ich habe seit gestern angefangen, am Sakraments-Bilde zu malen, aber bin über Stümperei noch nicht hinausgekommen. – Auch begann ich gestern eine Zeichnung nach der alten Studie des Leuchtturms Darsser Ort, die ich heute fertig machte.
Heute herrliches Wetter, warm, ohne heiß zu sein. Wir aßen mittags auf der Terrasse tranken dort den Nachmittagskaffe u. saßen dort bis zum Abend u. aßen dort Abendbrot. Es gab keine Mücken.
Vormittags schrieb ich an William Wauer, daß ich sehr gern bei ihm ausstellen würde, aber z. Zt.
Hans Brass: TBHB 1947-07-18. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-07-19_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2025)