leugnete nichts, gab alles zu, erklärte dann aber den Zusammenhang u. wies nach, daß meine Aeußerungen keinerlei Kritik enthalten hatten, sondern daß ich Prof. Rienäcker nur um Aufklärung gebeten hätte über gegenteilige Erfahrungen.
Herr Roll, der zuerst äußerst dienstlich war, wurde mit der Zeit milder. Er verlangte eine Schreibmaschine, die ich besorgen ließ u. verfaßte dann ein zwei Seiten langes Protokoll, das sehr zu meinen Gunsten ausfiel. –
Nachdem ich die gröbste Gefahr auf diese Weise abgebogen hatte, unterhielt ich mich mit dem Herrn über weltanschauliche Fragen u. über Expressionismus. Schließlich bot er mir seinen Tabak an. Die Sache endete harmlos, indem Herr Roll mir versicherte, daß die Kriminalpolizei die Sache bestimmt nicht an die Russen weiterleiten würde u. daß mir wahrscheinlich auch von deutscher Seite keine Schwierigkeiten bereitet würden, da meine demokratische Gesinnung kaum bezweifelt werden könne. – So endete diese Sache harmlos, die mir, wenn sie von einem anderen Beamten bearbeitet worden wäre, der vielleicht gehässiger gewesen wäre, zweifellos eine Verhaftung durch die Russen u. ein spurloses Verschwinden eingebracht hätte. Herr Strohschnitter, Herr Jesse, Prof. Reinmöller sind auch auf solche Art verschwunden u. niemand weiß, wo sie sind u. ob sie noch leben. Es war eine ungeheure Gefahr, in der ich geschwebt habe u. die mir für die Zukunft eine Lehre sein wird. Ich habe mir vorgenommen, nie wieder an irgend einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, nicht einmal an den Sitzungen der Sektion des Kulturbundes, da man nie vor Denunzianten sicher sein kann. In diesem Falle war die Denunziantin jene Frau Hagemann vom Verlag „Volk u. Wissen“.
Die ganze Sache, bei der ich bis zum Schluß die volle Ruhe bewahrt habe, hat mich aber doch sehr mitgenommen. Besonders hat sich die arme Martha sehr aufgeregt. – Wir saßen abends zusammen u. tranken von dem guten Schnaps u. aßen Blaubeertorte.
Beifolgende Gratulation von Nina Bittner ist so hübsch, daß ich sie hier aufheben möchte. –
Hans Brass: TBHB 1947-07-09. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-07-09_002.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2025)