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Seite:HansBrassTagebuch 1947-06-12 002.jpg

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bewohnt, der selbst aber wo anders wohnt.

     Wir frühstückten im Zimmer von P. Beckmann, hatten uns Kaffee in Thermosflaschen u. Brote mitgebracht u. besichtigten dann den ehemaligen Laden, der sehr hübsch u. geschmackvoll zu einer kleinen Kapelle umgewandelt worden ist. Diese Kapelle soll des Wochentags den beiden Herren dienen u. den wenigen Leuten, die werktags zur Messe kommen. Dafür ist die Kapelle ausreichend u. man ist wenigstens wochentags frei von der protestantischen Gastfreundschaft. Nur an Sonn= u. Feiertagen wird der Gottesdienst in der Klosterkirche gehalten.

     Martha hatte bis zum Mittag allerhand in Ribnitz zu erledigen, ich selbst blieb im Pfarrhause u. las in den „Stimmen der Zeit“. Mittags kamen dann der Vertreter des Bischof, Herr Dr. Schräder aus Schwerin, ferner der Herr Dechant aus Rostock, der die Einweihung der Kapelle vornehmen sollte, sowie Herr P. Beyer S.J. aus Rostock u. Herr P. Dross. Später kam auch noch Herr Pfarrer Kolodzig aus Marlow an, zu dessen Amtsbezirk Ribnitz bisher gehörte, sodaß insgesamt acht geistliche Herren zugegen waren. Mit Ausnahme des Pfarres K. aus Marlow waren wir alle Mittagsgäste der Pfarrei, die ein erstaunliches Essen aus weißen Bohnen bot. Ich saß mit P. Dross zusammen am untersten Ende der großen Tafel u. freute mich über sein allzeit fröhliches u. ungezwungenes Wesen.

     Um 2 Uhr fand dann die Einweihung statt. P. Beckmann leitete alles mit großer Ruhe u. Ueberlegenheit. Es wurde kräftig gesungen, da hierzu auch noch andere Katholiken zugegen waren u. P. Beckmann las nach einigen Gebeten einen Abschnitt aus der Geh. Offenbarung. Sodann hielt P. Dross eine herzliche u. schlichte, ungezwungene Predigt u. der Dechant aus Rostock nahm dann die Einweihung vor. Darauf wurde das Allerheiligste in der Monstranz ausgesetzt u. der sakramentale Segen in der üblichen Form erteilt. –

     Anschließend gab es wieder eine Kaffeetafel mit Kuchen, Cigaretten u. einigen Cigarren. Herr Dr. Schräder u. P. Beckmann hielten kurze Reden. Ich ließ durch P. Dross anfragen, ob auch ich eine kleine Rede halten dürfe u. sprach, da mir das Herz voll war, kurz, aber offenbar so gut, daß alle meinen Worten durch spontanes Händeklatschen ihren Beifall zollten. Ich freute mich, daß mir dies so gut gelungen war, da ich vorher garnicht auf den Gedanken gekommen war, eine Rede zu halten u. ganz aus der augenblicklichen Eingebung sprach.

     Wir waren dann alle in sehr angeregtem Gespräch zusammen, bis die Rostocker, bzw. Schweriner Herren abfahren mußten. Pfarrer K. aus Marlow u. Herr Dechant Pich blieben länger, letzterer bis ganz zuletzt, da er den Abendzug nach Stralsund benutzte. P. Beckmann brachte uns zum Bahnhof, von wo wir wieder mit dem „Fischland-Expreß“ zurückfuhren u. um 10 Uhr abends wieder zuhause waren.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-06-12. , 1947, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-06-12_002.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2025)