Heute war der Frost etwas milder infolge bedeckten Himmels, auch war nur schwacher Wind.
Martha u. Fritz bemühen sich, Karten zur Leipziger Messe zu erhalten, doch scheint das sehr schwierig zu sein, da ein sehr großer Teil der Karten, die zur Verfügung stehen, bevorzugt an SED=Mitglieder ausgegeben werden.
Die Hühner= u. Kaninchendiebstähle nehmen wieder zu. Das Frauenzimmer hier, welches der Hehlerei überführt war u. den einen der beiden Einbrecher in der Einbruchsnacht, als bei uns, bzw. der BuStu. eingebrochen wurde, bei sich untergebracht hatte, war zwar verhaftet worden, ist dann aber wieder entlassen worden u. befindet sich wieder im Ort. Die beiden Einbrecher selbst wurden s. Zt. ebenfalls verhaftet, sind aber beide wieder ausgerückt. –
Heute, als ich den Hühnern das Abendfutter brachte, war ich Zeuge, wie der junge Hahn zum ersten Male krähte. Während des gegenwärtigen Frostes lasse ich die Hühner in der Waschküche, mit der der Hühnerstall mit einer Türe verbunden ist. Der Hahn war heute ziemlich aufgeregt u. es gab einen schweren Kampf zwischen ihm u. einer Junghenne, die sich kräftig wehrte u. ihn sogar wiederholt angriff u. ihm heftig zusetzte. Während einer Kampfpause, in der die Henne sich in eine Ecke zurückgezogen hatte, fiel es ihm plötzlich ein, zu krähen. Nachdem er das einmal getan hatte, wiederholte er es unermüdlich. Die Hühner schienen jedoch garkeine Notiz davon zu nehmen, jene Junghenne ließ sich dadurch keineswegs abhalten, ihn wieder anzugreifen. Der Hahn richtete in den Kampfpausen sein ganzes Interesse auf die alte Henne, die dadurch sehr geschmeichet schien. Er balzte um sie herum u. lockte sie zum Futternapf, u. sie, die sonst entsetzlich futterneidisch ist u. alle Konkurrenten weghackt mit scharfen Schnabelhieben, kam jetzt ganz brav herbei u. fraß mit ihm gemeinsam. Sie kennt eben diese Sache schon, während die beiden Junghennen noch dumm sind. Aber woher weiß der Hahn, daß er krähen u. balzen kann? – Die eine Junghenne scheint übrigens krank zu sein. Sie ist sehr gewachsen u. recht dick, hockt mit blassem Kamm in der Ecke u. frißt nicht viel, die Schwanzfedern hält sie merkwürdig zum Boden gesenkt. Vielleicht handelt es sich bei ihr um das Erwachen des Geschlechtstriebes. Sie macht einen ganz melancholischen Eindruck.
Der Frost hat sehr nachgelassen, aber tauen tut es noch nicht. Da klarer Himmel ist, während es heute morgen bedeckt war, nehme ich an, daß es morgen wieder kälter werden wird.
Ich bin jetzt dabei, den Kopf des Dämonen zu malen. Das Bild wird sehr eindrucksvoll.
Heute erhielt ich das neue Heft der „Demokratischen Erneuerung“, in dem mein „Dank an Schwerin“ stehen sollte, aber er ist nicht darin. Der Ursache mag Platzmangel sein, doch glaube ich eher,
Hans Brass: TBHB 1947-02-13. , 1947, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-02-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2025)