Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1946-04-09 002.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einer Ausstellung, die kürzlich in England veranstaltet worden ist u. dort ungeheure Erregung verursacht hat. Es sind Bilder, die Picasso während des Krieges gemalt hat. Der Umschlag der Zeitschrift bringt ein Foto des Künstlers.

     Dieses Foto zeigt einen dämonisch wirkenden Kopf, u. das ist wohl das Ausschlaggebende. Diese Bilder sind alle dämonisch. Picasso ist wahrscheinlich der weitaus bedeutendste Maler unserer Zeit, aber seine Bilder sind auch für mich grauenerregend. Sie sind Prophetien dessen was kommen wird, u. das ist eben grauenerregend. Sie sind der genaue Gegensatz dessen, was ich male. Ich abstrahiere die Form im Sinne des Verklärtwerdens. Grade gestern las ich in der Dogmatik von Schmaus folgende Sätze:

     „Jedes Ding –, u. zwar sowohl das Einzelding wie das Welt= u. Menschheits=Ganze –, empfängt zunächst von Gott ein keimhaftes Sosein, die Anlage zum vollendeten Sosein. Für jedes Geschöpf besteht sein letztes Gutsein darin, daß es die von Gott gemeinte, vollendete Gestalt seines Soseins erreicht. Da jedes Ding um so mehr gut ist, je seinserfüllter es ist, bedeutet die Verwirklichung des anlagegemäß gegebenen Soseins zu seiner vollendeten Gestalt Wertverwirklichung. Dem Menschen ist die Aufgabe gestellt, sich auf diese Weise selbst zu „verwirklichen“ u. zugleich die Weltdinge zu verwirklichen (Kulturaufgabe). (Schmaus, Dogmatik, I Bd. S. 261)

     Damit ist trefflich die Aufgabe der Kunst ausgedrückt, wie ich sie verstehe. Wenn ich abstrahiere, so tue ich es, um den Dingen ein Sein zu geben, das diese nur anlagegemäß u. keimhaft besitzen. Ich will ihnen die eigentlich von Gott gemeinte, vollendete Gestalt geben, also eine Gestalt der Verklärung. Picasso hingegen gibt den Dingen diese Gestalt nicht, sondern jene, welche Satan den Dingen geben will. Es vollzieht sich da etwas Aehnliches wie im Alten Testament, wenn die Juden von Gott abfielen u. sich den grauenvollen Mysterien des Baal u. der Astarte zuwandten u. ihre Kinder durch's Feuer jagten. Ja, es vollzieht sich etwas ähnliches wie im Nationalsozialismus, der die Menschen zum Grauen der Konzentrationslager u. des totalen Krieges verführte u. von dem sich der Bolschewismus in nichts unterscheidet. – Das ist es, was diese Bilder Picassos so unheimlich, grauenvoll u. dämonisch macht, weil sie Prophetien einer künftigen Zeit sind, in der das Böse Uebermacht gewinnen wird u. weshalb man sich dagegen mit allen Kräften wehren muß, auch wenn diese Bilder, rein künstlerisch betrachtet, Kunstwerke von überragender Kraft sind. Sie sind Ausgeburten des leibhaftigen Antichrist. Es ist dabei interessant, daß gelegentlich der Ausstellung dieser Bilder in London der erste Protest von einer Dame ausging, welche eine Tochter des englischen Praeraffaeliten Hulman Hunt's war, also von ausgesprochen christlicher Seite. Diese Dame nannte die Bilder Picassos: „Widerlicher, als Kunst verkleideter Unrat.“

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1946-04-09. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-04-09_002.jpg&oldid=- (Version vom 18.11.2024)