immer noch nicht bekommen. –
Ferner Brief von Schwester Gertrud Dobzynski. Der Pfarrer ist immer noch nicht gesund, sein Zustand wechselt stark, eines Nachts glaubte sie, daß das Ende käme. Gott sei Dank war der Arzt diesmal zur Stelle u. gab Spritzen. Er soll 4 – 6 Wochen nach Greifswald ins Krankenhaus, aber es findet sich in der ganzen Diözese keine passende Dauervertretung für ihn. –
Es bestätigt sich, daß die Engländer bei Arnheim eine Niederlage erlitten haben. Es waren etwa 8000 Mann gelandet, von diesen sind jetzt 2000 zur Frontlinie zurückgelangt, 1200 Verwundete haben sie in Arnheim zurücklassen müssen, die übrigen sind gefallen oder in Gefangenschaft geraten. Es ist eine arge Schlappe.
Das Wetter ist besser geworden, aber es ist kalt. Ich habe heute zum ersten Male das Atelier geheizt. Habe eine neue Studie gemacht für ein Stillleben, nämlich die Dahlien, die ich gestern zusammen mit der Madonna verwendete nun allein in einer Glasvase, auf der Ecke meines Maltisches stehend, davor noch eben grade ein Stück des Malkastens mit einigen Tuben, dahinter eine Flasche Terpentin. Es kann sehr gut werden: gelbe Töne aus tiefstem Braun heraus, die ihren Höhepunkt in den Dahlien erreichen. Nebenher das Grün der Blätter, das Silbergrau der Tuben u. des Glases u. dazu der Malkasten, den ich in kräftigem Lackrot denke. Räumlich ist der Entwurf sehr reizvoll, da im Hintergrunde links noch die scharfe Kante des Schreibtisches u. ein Stück des Fußbodens angedeutet ist, ganz kubisch.
An den Fronten ist sonst nichts von Belang geschehen.
Der Obermaat Richter war heute wieder da u. bemühte sich nochmals vergeblich um die Pumpe. Er hat sie nun abmontiert, um sie morgen früh nach Ribnitz mitzunehmen u. sie von Schüler untersuchen zu lassen. Ich glaube aber nicht recht, daß der Fehler an der Pumpe liegt.
Gestern hielt Churchill im Unterhaus eine umfassende und überaus inhaltsreiche Rede, aus deren Fülle mir leider nur einige Punkte im Gedächtnis geblieben sind. Schade, daß man eine solche Rede nicht im Wortlaut gedruckt lesen kann. – Er sprach anfangs von der Kriegslage, dann von der Zeit nach dem Kriege. Ueber das vermutliche Ende des Krieges wollte er nichts sagen, doch meinte er, daß es in England viele Leute gäbe, die auf Grund ihrer gründlichen Sachkenntnis u. Einsicht in die verborgenen Hintergründe des unerschütterlichen Glaubens wären, daß dieser Krieg noch im Jahre 1944 sein Ende finden werde, daß es aber dennoch möglich sei, daß noch einige Monate des Jahres 1945 dazu nötig seien. Er sprach von der Besetzung Deutschlands nach dem Kriege durch Amerika, England u. Rußland, doch würden dazu auch solche von den kleineren Staaten herangezogen werden, die sich aktiv am Kriege gegen Deutschland beteiligt hätten. Es kämpfe z.B. in Italien jetzt schon eine palästinensische Gruppe, welche in nächster Zeit eine eigene Armee bilden werde, sodaß also auch diese Juden zur Besetzung Deutschlands mit herangezogen werden würden! – Sodann sagte er, daß von Seiten der Neutralen Zusicherungen vorlägen, den Nazis kein Asylrecht zu gewähren, – mit Ausnahme von Portugal
Hans Brass: TBHB 1944-09-28. , 1944, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2024)