reden sie dem Volke ein, daß es seine Existenz wäre u. drohen mit dem Bolschewismus. Sie lassen das Volk für sich kämpfen, während sie selbst wie der Obergruppenführer, „General“ Lorenz u. Herr v. Alvensleben, der inzwischen ebenfalls „General“ geworden ist, irgendwo in Sicherheit sitzen. Dieser Herr v. Alvensleben besuchte uns vor zwei Jahren, als er auf seiner Jagd in der Nähe von Barth war. Zu einer Zeit, als schon niemand mehr Benzin hatte, fuhr er in seinem Auto von Berlin nach Barth zur Jagd u. von dort zu uns. Er behauptete, verwundet gewesen zu sein, doch gelang ihm der Nachweis nicht, als ich ihn näherhin fragte. Er erzählte, daß er Hauptmann sei in seinem früheren Regiment u. er meinte großspurig, daß er im Frieden als Nationalsozialist zwar Brigadeführer in der SS sei, daß er aber im Kriege bei seinem Regiment als schlichter Hauptmann Dienst tue. Neulich sah ich ihn auf einem Bilde mit seinem Freunde u. Vorgesetzten Himmler abgebildet als „General des Polizei“ v. Alvensleben. Er hat also ebenfalls den Kampf um seine Existenz dem Volke überlassen. So drückt sich diese ganze Bande in bequemen Posten herum, aber das Volk verteidigt inzwischen ihre Existenz.
Martha gings heute wieder schlechter. Dr. Meyer war da u. stellte eine Herz=Affektion fest, verordnete absolute Ruhe. – Frau Westerich rief aus Hamburg an u. fragte nach Wohngelegenheit hier, um den Fliegerangriffen zu entgehen. Sie hat ein 5 Monate altes Kind. In allen Briefen, die wir bekommen, steht etwas von Bombenschäden, Bränden usw. Es geht zum Ende, möchte es doch rasch gehen. – Mussolini hat sein gesamtes Kabinett umgebildet, er selbst hat das Außenministerium übernommen. Die neuen Minister sind alte Parteimitglieder. Vor einer Woche hat er den Oberkommandierenden abgesetzt. – Die Russen stehen jetzt am ganzen Oskol u. weiter im Norden dicht vor Kursk u. Orel. Im Süden haben sie Bataisk genommen und Zeisk, damit ist der Rückweg über Rostow endgültig abgeschnitten, es ist nur noch ein Brückenkopf vor der Krim in unserer Hand. Wir werden sicher große Verluste an schweren Waffen u. Kriegsgerät haben. Bei den einfachen Leuten im Dorf setzt sich immer mehr die Ueberzeugung durch, daß Stalingrad allein auf die Schuld des Führers kommt. Hätten die Leute das nur früher eingesehen. – „Das Volk will Taten sehen.“ Unter diesem Motto hat jetzt der Wirtschaftsminister Funk seine neuen Verordnungen erlassen über die Schließung der Betriebe. Das Resultat davon wird eine heillose Verwirrung sein, die bald auch die Rüstungsbetriebe zum Stillstehen bringen wird. –
Hans Brass: TBHB 1943-02-05. , 1943, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-02-06_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2024)