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Seite:Gustav Kittler Erinnerungen 1910.pdf/69

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Meines Bleibens war hier jedoch nicht lange, denn nach einer kurzen Stunde, schon vor 8 Uhr in der Früh, wurde ich trotz Feiertag dem Herrn Untersuchungsrichter vorgeführt und ich traf in ihm einen alten Bekannten aus dem Jahre 1878, den mittlerweile zum Landrichter avancierten ehemaligen Assessor Kegelmaier.

Derselbe tat als ob er von 1878 her etwas Besonderes für mich hätte, machte mir wohlgemeinte Vorwürfe wegen meiner politischen Tätigkeit, wodurch ich nur meine zahlreiche Familie ins Unglück bringe und spielte den wohlmeinenden Ratgeber.

Ich dankte ihm für die warme Teilnahme an mir und den Meinigen, versicherte ihn jedoch, daß ich mir keiner Schuld bewußt sei und hoffentlich bald wieder auf freien Fuß gesetzt werde. Er erklärte mir, die heutige Unterredung sei lediglich Privatsache, er sei nur gekommen, um dafür zu sorgen, daß ich in möglichst anständige Gesellschaft komme. Da wo ich bis jetzt untergebracht sei, sei keine Gesellschaft für mich und befahl, mich in Nr. 1 unterzubringen zu einem Lehrer und einem Kommissionär, das sei die beste Gesellschaft, über die er augenblicklich verfüge.

Hierauf verabschiedete er mich, den von so viel Liebe und Entgegenkommen nicht wenig Gerührten.

Nr. 1 im hiesigen Landgerichtsgefängnis ist eine Zelle, etwa vier Meter lang und drei Meter breit, mit einem großen Fenster in der Mitte. Sonst unterscheidet sich das Ding in Nichts von der Einrichtung des Amtsgerichts. Doppeltüren, Pritschen, Honighafen, alles derselbe Stil, nur infolge des größeren Fensters besser beleuchtet und

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)