Material mehr zu besitzen, suchte die Polizei erfolglos nach demselben.
Nun war offiziell alles vernichtet was halbwegs nach Petroleum roch, in Wirklichkeit brannte dasselbe lustig weiter, man nannte sich nur anders. Die Parteimitglieder gründeten einen Rauchklub und trafen sich dort jede Woche ebenso pünktlich wie früher. Es wurden Wachen ausgestellt, um vor Ueberraschungen der allzu neugierigen Hermandad gesichert zu sein.
Eine Anzahl ängstlicher Seelen blieb uns fern und etwas klein wurde das Häuflein der Treugebliebenen; das Schandgesetz sonderte den Weizen von der Spreu.
Am schmerzlichsten vermißten wir unser Parteiblatt, die „Süddeutsche Volkszeitung“, sowie das Zentralorgan der Partei, den in Berlin erscheinenden „Vorwärts“.[ws 1] Beide Blätter waren dem Gesetz zum Opfer gefallen. Nicht besser erging es denjenigen, die an ihre Stelle traten.
Die Unmöglichkeit der Abhaltung von Versammlungen bedrückte uns gleichfalls schwer. Unter den nichtigsten Vorwänden wurden Versammlungen mit den harmlosesten Themas verboten. Es genügte schon zum Verbot, wenn der Redner Sozialdemokrat war.
Die gemeine Polizeiwirtschaft veranlaßte uns von einer Einberufung von Versammlungen abzusehen, dafür aber die gegnerischen Versammlungen zu benützen, um für unsere Partei zu wirken, im übrigen aber die Hauptagitation mittelst Flugblättern zu betreiben.
Das für die Partei neugeschaffene Blatt, „Der Züricher Sozialdemokrat“,[ws 2] wurde auch hier
Anmerkungen (Wikisource)
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)