behauptete, gefunden hatte. In Wirklichkeit hatte er es, wie er mir mitteilte, selbst angefertigt, was auch seit 15 Jahren sein einziger Erwerbszweig war. Ein städtisches Wappen, ein Polizeisiegel auf einem Stückchen Schiefer nachzumachen, war für ihn, wie ich mich selbst überzeugte, eine Kleinigkeit; eine Handschrift nachzuahmen ein Kinderspiel.
In der Zeit nun, in der er die 6 Wochen Haft verbüßte, half er unserem Christian.
Am Tage nach der Hauptwanzenjagd, früh um 8 Uhr, hörte ich über mir ein Geräusch, es wurde eine Türe geöffnet direkt vor meinem Gitter und der Unterfax erschien, sich entschuldigend wenn er störe. Nachdem ich dies verneint, meine Neugierde war rege geworden, erkundigte er sich, warum ich eigentlich in Untersuchungshaft sei. Als er erfuhr, daß das Vergehen politischer Natur sein soll, sagte er, das habe er sich gedacht und fragte, ob er mir nicht irgendwie dienlich sein könne.
Als ich die Frage verneinte, sagte er offenherzig: „Sie mißtrauen mir, Sie tun mir damit jedoch unrecht, gegen Leidensgenossen und Sie sind jetzt doch auch einer, war ich stets ehrlich und hilfreich.“ „Nun, wenn Sie absolut etwas für mich tun wollen, so besorgen Sie mir Zigarren und Streichhölzer. Sehen Sie morgens meine Frau?“ Er bejahte und versprach, das Gewünschte prompt zu besorgen. Und er hat Wort gehalten.
Andern Tags gegen 11 Uhr erschien er wieder über mir, holte eine lange Schnur, sowie ein Päckchen aus seiner Tasche, befestigte Letzteres an der Schnur und ließ das Päckchen durch das Gitter in meine Zelle herab. Durch diese Manipulation gelangte ich zu Zigarren und
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)