Stelle und ich hatte den Missetäter zwischen meinen Fingern zerquetscht. Heiliger St. Florian, ich war wirklichen und wie es schien, sehr hungrigen Wanzen unter die Zähne gefallen, was sich am Geruch des ersten von mir abgemurksten Exemplars deutlich bemerkbar machte. Hungrig waren die Biester auch, wie ich am andern Morgen erfuhr.
Die Zelle war seit 12 Tagen, behufs gründlicher Reinigung, unbewohnt. Die Gurkenzeit verspürte das Hotel Koch auch etwas, es war Hochsommer und flotte Geschäftszeit, unter der derartige Staatseinrichtungen immer etwas zu leiden hatten. Das war eine schöne Bescherung! Die hungrigen Viecher wüteten ärger an mir, wie Bismarck und seine Preßmeute gegen uns im deutschen Reich.
Das Gesindel, das bekanntlich sehr lichtscheu ist, war mit Anbruch des Tages verschwunden. Wohin? zeigte die nähere Untersuchung. Da die Wände keine Ritzen zeigten, mußte der Schlupfwinkel der ekelhaften Biester wo anders sein. Und richtig, nach Wegräumen des ganzen Bettes samt Strohsack und Kopfpolster, fand ich ihn auch im Holzgerüst der Lagerstatt. Hier zeigten die zahlreichen Ritzen und Fugen deutliche Spuren der niedlichen Tierchen. In den größeren Fugen konnte ich die blutgierigen Burschen mittels eines losgelösten Spahnes erwischen, sie wurden alle erbarmungslos abgemurkst.
Nachdem mit Hilfe von Wasser und Bürste die Spuren getilgt, Türen und das Fenster eine Zeitlang geöffnet wurden, während ich auf dem Gang promenierte, verzog sich auch der Gestank und die Hauptschweinerei war beseitigt.
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)